Theorie und Praxis klaffen auseinander

Schleswig-Holstein: Schwarz-Gelb will Lehrerstellen streichen und bringt damit Eltern und Gewerkschaften gegen sich auf

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit dem Argument zurückgehender Schülerzahlen möchte Schleswig-Holstein seine maroden Finanzen sanieren, indem es bis 2020 rechnerisch 2900 Lehrerstellen einspart. Dieser haushaltspolitische Ansatz ist für FDP-Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) Maß allen Handelns, auch wenn er damit Schüler, Eltern und Lehrer gegen sich aufbringt und sehenden Auges in schulische Miseren schlittert.

Mit dem neuen Schuljahr soll das Stellenstreichkonzert seinen Anfang nehmen. Klug will 310 Lehrkräfte einsparen – ein Kostenfaktor von rund 15 Millionen Euro. Dabei sind vor allem Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen betroffen, obwohl der faktische Schülerrückgang zunächst einmal nur die Grundschulen trifft.

Junglehrer sind empört. Im Internet wirbt das Land mit fabelhaften Berufsaussichten, doch reihenweise finden Referendare keine Anstellung. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beziffert ihre Zahl auf 700. Viele haben ihr Staatsexamen mit erstklassigen Noten abgeschlossen, sehen sich nun aber aus Angst vor einem Gang in eine Hartz-IV-Karriere in anderen Bundesländern um. Die Gewerkschaft kündigte einen »heißen Herbst« an. Der Protest diese Woche vor dem Bildungsministerium sei erst ein Anfang gewesen, so GEW-Landeschef Matthias Heidn. Auch bei Elternvertretern entlädt sich der Zorn. Sie sind am Donnerstag in Lübeck auf die Straße gegangen. Klug selbst beschwichtigte damit, dass ja noch gar nicht alle genauen Anmeldezahlen für das neue Schuljahr vorliegen würden und das Ministerium sehr wohl noch Nachjustierungen vornehmen könne. Er spielt damit auf den Fall des Kreises Segeberg an, wo seine Experten von 123 Schülern weniger ausgehen, die dortige Schulrätin aber von 100 zusätzlichen Schülern spricht.

Die Situation der Unterrichtsversorgung ist in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten total unterschiedlich gelagert. Nach GEW-Berechnungen kommen in Flensburg 36 Schüler auf einen Lehrer, im Kreis Stormarn sind es rechnerisch dagegen 61,58. Fragt man etwa in Lübeck an den Grundschulen nach, erfährt man, dass dort der Stundenplan massiv ausgedünnt wird. Nicht nur beim Musik-, Sport- und Schwimmunterricht erfährt die Stundentafel Streichungen, auch bei Deutschförderstunden wird das Angebot heruntergefahren. Und auch das sind Verschlechterungen mit neuem Schuljahrsbeginn: Durch den Abzug von Lehrkräften werden Klassen zum Teil deutlicher größer als bisher.

Nächstes Jahr wird in Kiel ein neuer Landtag gewählt. Das Thema rutscht also automatisch in den Wahlkampf. Da passt es, dass Lübecks Elternvertreter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) direkt angeschrieben und ihn zur Rücknahme der Stellenstreichungen aufgefordert haben. Und aus Elternkreisen hört man gar den Verdacht, dass im Ministerium lediglich eine simple Verschiebung stattfinde: zugunsten der Parallelstruktur aus acht- und neunjährigem Gymnasium und zum Nachteil der Grundschulen. Zur kontinuierlichen Haushaltskonsolidierung soll es zum Schuljahr 2012/2013 nach dem Willen der CDU/FDP-Landesregierung die Streichung von 300 weiteren Stellen geben.

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