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Ausverkauf in Griechenland

Liste der Sparmaßnahmen und Privatisierungen ist lang

  • Takis Tsafos und Hubert Kahl, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit der Entscheidung der EU-Finanzminister am Samstag wächst der Druck auf die griechische Regierung, die beschlossenen Sparmaßnahmen und Privatisierungen umzusetzen – trotz des massiven Widerstandes aus der Bevölkerung. Ein zweites Hilfspaket wird schon jetzt davon abhängig gemacht, wie konsequent die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou die Maßnahmen umsetzt.
Wie will Griechenland 78 Milliarden Euro zusammenkratzen? Laut dem neuen Sparpaket sollen die rund 11,3 Millionen Bürger in den kommenden vier Jahren mehr als 28 Milliarden Euro aufbringen. Das macht rein rechnerisch knapp 2500 Euro pro Kopf. Allein bis zum Jahresende sollen es 6,4 Milliarden Euro sein. Weniger staatliche Leistungen, höhere Steuern – so lautet die Formel.

Umfangreiche Verkäufe von Staatsbesitz sollen gleichzeitig 50 Milliarden Euro in die leeren Kassen spülen – potente Käufer für Firmen, Flächen und Immobilien werden gesucht.

Nachdem Beamte und andere öffentlich Beschäftigte bereits laut Gewerkschaftsschätzungen bislang mehr als ein Fünftel ihrer Einkommen verloren haben, sieht das vergangene Woche verabschiedete Sparprogramm weitere Kürzungen vor: bis zu einem weiteren Fünftel im Vergleich zu 2009. Zudem sollen bis 2015 rund 150 000 Staatsbedienstete gehen. Für zehn in Rente gehende Beamte soll nur noch einer eingestellt werden.

Für alle Bürger mit einem Einkommen von mehr als 8000 Euro sieht das Paket eine Solidaritätssteuer zwischen ein und fünf Prozent des realen Nettoeinkommens vor, sie gilt für die nächsten vier Jahre. Freiberufler müssen eine neue Kopfsteuer zwischen 300 und 500 Euro jährlich zahlen.

Angehoben werden sollen erneut auch die Steuern auf Tabak, Spirituosen und Heizöl.

Um die Schulden zurückzahlen zu können, soll Griechenland zudem massiv Staatseigentum privatisieren. Hart gerungen wird dabei vor allem im Fall der Elektrizitätsgesellschaft (DEI): Der Staat hält 51 Prozent, 17 Prozent sollen an Private gehen. DEI schreibt Gewinne. Die Gewerkschaften leisten starken Widerstand und haben neue Streiks angekündigt.

Bereits beschlossen ist der Verkauf von weiteren zehn Prozent der Telefongesellschaft OTE an die Deutsche Telekom: Für 49 Millionen OTE-Aktien zahlt die Telekom etwa 400 Millionen Euro. Die Bonner besitzen seit 2008 bereits 30 Prozent der Aktien und führen OTE. Der Konzern verpflichtete sich damals, weitere zehn Prozent zu übernehmen, falls Athen dies bis Ende 2011 beantragen sollte. Doch die Liste des Tafelsilbers ist noch lang. Ebenfalls vor dem Verkauf: Die staatliche Eisenbahn (Trainose), die Landwirtschaftsbank ATE sowie das staatliche Lotterie- und Wettunternehmen.

Versilbern will die Regierung eine Beteiligung von 55 Prozent am neuen Athener Großflughafen »Eleftherios Venizelos«. Der Baukonzern Hochtief besitzt 40 Prozent der Anteile. Die Regierung hat zudem die Privatisierung zahlreicher kleinerer Flughäfen auf Ägäis-Inseln angedeutet sowie den Verkauf des alten, seit 2004 geschlossenen Athener Flughafens »Hellinikon«. Das Gelände liegt an einem der schönsten Küstenabschnitte der Region Athen, etwa 16 Kilometer vom Stadtzentrum.

Weiter privatisiert werden sollen auch die Häfen von Piräus und Thessaloniki. In Thessaloniki stehen zudem die Gas- und Wasserwerke vor dem Verkauf – dies gilt auch für rund 75 000 Häuser, Wohnungen und Grundstücke, darunter mehrere Felsen- und Kleininseln sowie touristisch interessante Areale in Westgriechenland.

Auch früher von den USA genutzte Flächen sind im Angebot: Für die ehemalige Anlage des US-Radiosenders »Voice of America« in der Nähe der nordgriechischen Stadt Xanthi (acht Millionen Quadratmeter) sowie einen ehemaliger US-Stützpunkt auf Kreta (Gournes, 750 000 Quadratmeter) werden Investoren gesucht.

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