Ökonomie der Sicherheit

  • Christa Luft
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem freigegebenen Euro-Kredit scheint die Pleite Griechenlands bis zum Herbst abgewendet. Nun stufen Ratingagenturen portugiesische Staatsanleihen auf Ramschniveau herab. Weitere Rettungsaktivitäten werden also folgen, um schuldengeplagte Länder vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren. Der Öffentlichkeit werden diese Hilfen als solidarischer Akt gegenüber der dortigen Bevölkerung verkauft. In Wahrheit fließt das frische Geld in die Zahlung fälliger Zinsen, vor allem an deutsche und französische Banken.

Auch sind die aus der Schuldenkrise resultierenden Probleme weitreichender als der eventuelle Bankrott eines einzelnen Landes: Schaden nimmt die europäische Idee, gefährdet sind politische Stabilität und sozialer Friede in der EU. Die Demokratie erodiert, und hilfsbedürftige Staaten werden der Knute finanzstarker Partnerländer unterstellt und gewählte Parlamente zu Voten genötigt, die große Teile der eigenen Bevölkerung in die Perspektivlosigkeit treibt. In Griechenland, Portugal, Italien und Irland gehören Generalstreiks und Massendemonstrationen zum Alltag. Seit Jahrzehnten gab es keine derartigen politischen Unruhen mehr. Unwägbar sind die Langzeitfolgen für Europa.

Das Brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit will daher nach einer »Ökonomie der Sicherheit« suchen. Das Institut ist eine von der Brandenburgischen Landesregierung, der Universität Potsdam und deutschen Rüstungskonzernen 2009 ins Leben gerufene Denkfabrik. Ende Juni befasste diese sich mit den Konsequenzen drohender Staatsinsolvenzen in der Eurozone. Die würden das Vertrauen in die EU als ökonomische Einheit und weltpolitischer Akteur erheblich beeinträchtigen, heißt es in den »Informationen zur Deutschen Außenpolitik«.

Die aktuell für die Krisenländer geforderten Kürzungen sowie beschleunigte Privatisierungen könnten zu gravierenden Macht- und Vermögensverschiebungen innerhalb der EU führen und erhebliche sicherheitspolitische Konsequenzen haben, etwa in Form von »Konflikten innerhalb und zwischen Staaten«. Gesellschafts- und militärpolitische Folgen der Schuldenkrise müssten daher von der Forschung stärker in den Blick genommen werden. Zu definieren seien nationale Interessen und politische Optionen Deutschlands.

Der Think Tank sieht die Bundesrepublik problemlos in der Lage, der europäischen Peripherie die als notwendig erachteten Sparprogramme »aufzuzwingen«. Das heißt wohl, ihre durch Lohndumping und Exportboom gewonnene wirtschaftliche Stärke ermächtige sie, anderen die Richtung vorzugeben. Eine natürliche Primus-Rolle Deutschlands klingt an. Widerspruchslos hinnehmen werden Partnerländer das kaum.

Es lässt aufhorchen, wenn Wissenschaftler und Politiker ausgerechnet mit Vertretern der Waffenbranche über Konsequenzen aus der Schuldenkrise debattieren. Offenbar sieht die Rüstungslobby die Möglichkeit, angesichts sich aufbauender Konflikte prophylaktisch das militärische Potenzial zu stärken. Eine »Ökonomie der Sicherheit« aber verlangt keine militärpolitischen, sondern forschungs-, wirtschafts-, sozial- und haushaltspolitische Lösungen, die der Bevölkerung eine friedliche Perspektive bieten.

Als Finanzierungsquellen eignen sich eine Finanztransaktionssteuer und eine Vermögensabgabe für Begüterte, die Austrocknung der Steueroasen sowie die Schrumpfung der Militärbudgets. Aufzulegen wären gemeinsame Euro-Anleihen. Europäisiert gehört der Widerstand dagegen, dass Banken gerettet werden, statt der betroffenen Bevölkerung zu helfen.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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