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»Freiheitskämpfer« gegen Islamisten

Die Rede des Salafisten Pierre Vogel in Hamburg wurde von rechtspopulistischen Protesten begleitet

  • Reinhardt Schwarz
  • Lesedauer: 3 Min.
Für die einen ist er ein »Hassprediger«. Andere sehen ihn als muslimischen Popstar. Am Samstag sprach der deutsche Konvertit Pierre Vogel in Hamburg vor seinen Anhängern. Dagegen demonstrierte die rechtspopulistische Partei »Die Freiheit«.

Rund 1100 Menschen wollen den Konvertiten Pierre Vogel in Hamburg sehen. Ein mittelgroßes Polizeiaufgebot hat sich frühzeitig am Dammtor-Bahnhof eingefunden, zumal die rechtspopulistische Partei »Die Freiheit« angekündigt hatte, gegen die Anwesenheit des in Bonn geborenen Islamisten zu demonstrieren. Vorab hatten Hamburgs Medien die Stimmung angeheizt. »Er predigt morgen Hass«, wusste die »Hamburger Morgenpost«. Die »taz« titelte: »Warten auf den Hassprediger.«

Dann ist er da. Mit halbstündiger Verspätung betritt der 32-Jährige die Ladefläche eines Lkw, die als Bühne dient. Vogel, der der fundamentalistischen Strömung des Islam, den Salafisten, angehört, trägt ein weißes Hemd und eine weiße Kappe. Am Kinn sprießt ein mehrere Zentimeter langer, roter Bart. »Allahu akbar!« (Allah ist groß) schallt es ihm aus Hunderten von Mündern entgegen.

Im Publikum stehen viele junge, modisch gekleidete Frauen, die im Laufe des Abends immer wieder ihre I-Phones zücken, um den Vortrag des ehemaligen Profiboxers zu filmen. Einige tragen Kopftücher, ganz wenige haben ihre Gesichter trotz des offiziell erlassenen Schleierverbots verhüllt. Vor der Lkw-Bühne haben sich finster dreinblickende Leibwächter postiert. Einer der Veranstalter liest vorschriftsmäßig aus einer Anordnung der Hamburger Innenbehörde vor. Äußerungen zu Osama bin Laden und Al Quaida sind verboten. Ebenso untersagt ist die räumliche Trennung von Frauen und Männern, wie es in der Regel bei Veranstaltungen von Islamisten üblich ist.

Dann beginnt Vogel seinen Vortrag: »Ich bin hier, weil ich diese Religion liebe. Ich hoffe, dass ich Euch einen kleinen Funken mitgeben kann, damit sich die Liebe zu dieser Religion verstärkt.« Das klingt bescheiden, beinahe schon demütig. Im Kontrast dazu steht der Anspruch auf absolute Wahrheit. »Dieser Koran ist die Wahrheit – haltet an diesem Buch fest und lasst Euch von niemandem beeinflussen!«, mahnt er. Später wird Vogel noch deutlicher: »Wer den Koran nicht liest, muss mit dem Höllenfeuer rechnen.« Auf den Vorwurf, der Islam unterdrücke die Frauen, zitiert er genüsslich aus der Bibel: »Die Frau sei dem Manne Untertan.«

Aus der Ferne erschallt immer wieder der Ruf von Gegendemonstranten: »Freiheit!« Er stammt von mit Deutschland-Fahnen ausgerüsteten Mitgliedern der Partei gleichen Namens, einer Abspaltung von der Berliner CDU. »Die Freiheit« versucht, auch in Hamburg Fuß zu fassen. In ihrem von christlich-kulturkämpferischen Imperativen geprägten Programm fordern sie »eine Null-Toleranz-Strategie im Kampf gegen den Islamismus« und ein Verbot seiner Organisationen. Wer sich den hiesigen Gesetzen nicht unterordne, »hat in Deutschland nichts zu suchen«, so ein Redner. Zu der Demonstration gesellt sich eine Gruppe – darunter auch iranische Anhäger des Schah-Regimes – mit USA- und Israelfahnen und fordert die »Verteidigung der westlichen Zivilisation«.

Mitglieder der Linksjugend solid stellen sich mit Transparenten und einem Infostand den Rechten entgegen. In ihrer Erklärung heißt es: »Die Linksjugend sympathisiert nicht mit Salafisten. Aber dass sich die Neue Rechte und christliche Fundamentalisten als Freiheitskämpfer aufspielen und unter dem Deckmantel der Religionskritik antimuslimische Hetze betreiben, können wir nicht hinnehmen.«

Der Auftritt des Islampredigers hat Hamburgs Politik vor den Sommerferien noch einmal wach gerüttelt. Während die Grün-Alternative Liste (GAL) lediglich mahnte, über »die demokratiefeindlichen und diskriminierenden Thesen Pierre Vogels« aufzuklären, forderte die CDU ein Verbot der Veranstaltung: »Vogel ist kein Friedensaktivist, sondern ein gefährlicher Islamist, der in unserer Stadt nichts zu suchen hat.« Innensenator Michael Neumann (SPD) sagte, Salafisten wie Vogel seien »nicht willkommen«.

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