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Troubadour und Tuareg

Das Festival »Wassermusik« im Haus der Kulturen hat das Thema »Wüste«

  • Hansdieter Grünfeld
  • Lesedauer: 4 Min.
Khaled
Khaled

Mit 19 Konzerten, zehn Filmen und zwei Diskussionsabenden geht die Freiluft-Veranstaltungsreihe Wassermusik in die vierte Runde, setzt sich in diesem Jahr bis zum 6. August mit dem Thema »Wüste« auseinander.

Etwa ein Drittel unseres Planeten besteht aus Wüsten, die für Europäer als Vorhöfe zur Hölle gelten. Für Menschen, die in diesen Gegenden leben, ob christlich, schamanistisch, islamisch, buddhistisch oder hinduistisch geprägt, sind sie ein »weites Feld« (Sahara), aus dem ein allwissender Schöpfer alles Unnötige entfernt hat. »Die Wüste hat etwas Reinigendes. Viele große Staatsmänner und die meisten Religionsstifter haben sich zur Selbstbesinnung zeitweilig in die Wüste zurückgezogen«, schreibt der Libyer Ibrahim Al-Koni, in dessen Land kein Fluss entspringt und die Fenster der Küstenstädte bewusst auf das Landesinnere, also die Wüste, gerichtet sind. In diesem Sinne spiegeln die angebotenen Konzerte nicht wie im Jahr davor Flusskulturen, sondern bitten Stars und noch nahezu unbekannte Musiker aus Europa, Süd-, Mittel- und Nordamerika, Australien und Asien ins Areal des Hauses der Kulturen der Welt.

Schon der Eröffnungsabend bedient diese Tatsache musikalisch äußerst gelungen, und schafft mit dem Auftritt von Künstlern unterschiedlicher Kulturkreise einen ethnischen, sozialen und philosophischen Spannungsbogen. Aus Australien stammt die Gruppe »The Black Jesus Experience«, die ihre Überzeugungskraft aus urchristlichen äthiopischen Ritualen und Jazzkompositionen gepaart mit Funk und Hip-Hop schöpft.

Cheb Khaled, ungekrönter König des Rai, stand einst für aufmüpfige junge nordafrikanische Musik, die nicht nur den Islam in Frage stellte. Inzwischen zum klassischen arabischen Sänger gewandelt, einem Abdul Halim Hafez durchaus ebenbürtig, lagert der Algerier islamische Tradition und Lebensgefühl als feste Bestandteile in seinen Texten, so auch in seinem bekanntesten Titel »Aisha«. Ob bewusst oder unbewusst – an den Marienkult der Minnesänger und Troubadoure anknüpfend, setzt er der dritten Frau Mohammads ein musikalisches Denkmal. Wesentlich jünger und ehrgeiziger als der Prophet, war sie es allein, die den Religionsstifter auch bei politischen Entscheidungen beeinflussen konnte.

Aufmerksamkeit verdient ebenfalls Group Doueh aus der Westsahara und natürlich die aus der südlichen Sahara (Mali) stammende Tuareg-Formation »Tinariwen«. Islamgläubig und dem Sufismus, also der ekstatischen Vereinigung mit dem göttlichen Wesen zugeneigt, spiegeln ihre Gesänge intellektuelle Spiritualität, das Nomadenleben, und die Kumpanei zwischen Tier und Mensch. Der schon erwähnte Ibrahim Al-Koni, ein geborener Tuareg, schrieb den äußerst empfehlenswerten Roman »Goldstaub«, in dem das Verhältnis eines bitterarmen Nomaden zu seinem wertvollen Kamelhengst geschildert wird.

Wer indische Tablas und Ragas gepaart mit Blues à la Muddy Waters erleben möchte, sollte das Konzert »Desert Slide« nicht verpassen sowie den Auftritt der »Dhoad Gypsies« aus der pakistanisch-indischen Thar-Wüste. Unter dem Namen »Chaikhana« (Teehaus) kommen zentralasiatische Musiker zu ihrem Auftritt.

Zweifelsohne hat der »Erfinder« des US-Wüstenrocks, Howe Gelb, Bob Dylan rezipiert. Mit Gästen wie dem Gitarristen Brian Lopez konnte er für einen Berlinauftritt im Rahmen dieser Konzertreihe gewonnen werden. Mit Amadou & Mariam aus Mali, ausgezeichnet mit dem französischen Grammy, kommt ein Gesangspaar nach Berlin, das in allen afrikanischen Gesangsstilen sattelfest ist, und eine höchst melodiöse Abschlussveranstaltung garantiert. Dass vorab das iranische Trio Saeid Shanbehzadeh zu erleben ist, das seltene Instrumente wie den südpersischen Dudelsack vorstellt, erfreut nicht minder.

Von den zehn angekündigten Filmen sei besonders auf »Namibia Crossings« am 22.7. sowie auf »The Shooting«, einen experimentellen Western, am 5.8. verwiesen. Was die Diskussionsrunden am 21. und 28.7. angeht, gelang dem Veranstalter endlich eine Terminfindung, die Konzertbesucher nicht mehr in Zugzwang bringt. Allerdings fehlt in diesen Diskussionen der großartige Wüstenautor Ibrahim Al-Koni, der hier einst so beglückte. Außerdem wurde der syrische Rapper Omar Souleman nicht wie erwartet wieder verpflichtet, der im Jahr davor durch einen überzeugenden Extra-Auftritt auf das Thema »Wassermusik/Wüste« verwiesen hatte.

15.7. bis 6.8., Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 105-110. Tel.: (030) 39 78 71 75, Programm und Information unter www.hkw.de

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