Streikaktionen am Nadelöhr

Durch den Tarifkonflikt zwischen Lokführern und Privatbahn fällt derzeit das Pendeln von und nach Sylt schwer

  • Dieter Hanisch, Niebüll
  • Lesedauer: 4 Min.
Hartnäckig führt die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ihren Arbeitskampf. Besonders effektiv sind ihre Aktionen dort, wo es kaum Alternativen zu den bestreikten Privatbahnen gibt – wie zum Beispiel auf Sylt.

Nunmehr sechs Monate dauert bereits der Arbeitskampf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) im Privatbahnsektor, und auf einer Strecke übt die Arbeitnehmervertretung mit ihren Streikaktionen besonderen Druck aus: die Verbindung der Nord-Ostsee-Bahn (NOB) vom Festland hinüber auf die Insel Sylt.

Beide Tarifpartner haben bisher keine Annäherung erzielen können, so dass nahezu wöchentlich punktuelle Streikaufrufe, die inzwischen spontan und ohne Angabe über die Dauer erfolgen, den regulären Fahrplan durcheinander bringen. Auf dieser Bahnlinie verkehren etwa 3500 Pendler, die ihren Arbeitsplatz erreichen müssen. Diese kommen entweder zu spät zum Dienst oder müssen teilweise vor Arbeitsbeginn oder nach Dienstschluss noch Extrazeit einplanen.

Gemeinde fordert Einschreiten

Nach Angaben des Landtagsabgeordneten Andreas Tietze (Grüne) haben die tariflichen Auseinandersetzungen nunmehr wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge erreicht. Kindergärten, Krankenhäuser, Pflegeheime und Feuerwehr seien nach seinen Worten davon betroffen. Bekommt auch der ein oder andere Kurzurlauber die Streikauswirkungen im Regionalverkehr zu spüren, benutzt der Großteil der Touristen allerdings den zwischen Niebüll und Insel verkehrenden Autoreisezug über den Hindenburgdamm sowie die Fernreise-IC-Anbindung.

Die Gemeindevertretung Sylt hat das Verkehrsministerium in Kiel in einer Resolution aufgefordert, aufsichtsrechtlich aktiv zu werden. Sylts Bürgermeisterin Petra Reiber spricht von chaotischen Zuständen und fordert das Land auf, einzugreifen und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Die Lokführer-Gewerkschaft fordert flächendeckend inhaltsgleiche Rahmenrichtlinien: eine einheitliche Bezahlung aller Lokführer in Deutschland mit Orientierung an der Tarifstruktur der Deutschen Bahn, die 39-Stunden-Woche und ein Betreiberwechsel-Tarifvertrag, wenn nach neuer Ausschreibung eine andere Privatbahn ein Streckennetz übernimmt.

Seit Mittwochmorgen, 3 Uhr, gilt der jüngste Streikaufruf. Betroffen ist auch wieder die Strecke Hamburg – Westerland. Weder die GDL noch die NOB geben Auskunft über die Anzahl der Streikenden. Dennoch fällt derzeit jeder zweite Zug der NOB in Schleswig-Holstein aus. NOB und GDL werfen sich seit geraumer Zeit gegenseitig eine Blockadehaltung vor.

CDU und FDP wissen natürlich auch, was Tarifautonomie heißt, mischen sich aber dennoch ein. Vertreter beider Parteien sprechen von unhaltbaren Zuständen, die auch mittelständische Unternehmen treffen würden. Union wie Liberale warnen die Gewerkschaft, nicht ihre Monopolsituation auf besagter Strecke auszunutzen.

Eine Schlichtung ist nicht in Sicht

Tietzes Ton ist da diplomatischer. Er appelliert an die Konfliktparteien, einem Schlichtungsverfahren zuzustimmen. Er sieht nur noch mit einer externen Moderation eine Möglichkeit, zu einer Lösung zu gelangen. Die GDL hatte vor wenigen Tagen eine Schlichtung als »Augenwischerei« abgelehnt. NOB-Sprecherin Christiane Lage gesteht ein, dass die Verbindung auf die Insel Sylt ein Nadelöhr sei. Sie fügt hinzu: »Wir verstehen Verhandlungen als ein Aufeinanderzugehen und nicht als Erfüllung von Maximalforderungen.«


Weitere Streikaktivitäten

Berlin (dpa/ND). Die Gewerkschaft GDL hat erneut zum Lokführer-Streik bei der Ostdeutschen Eisenbahn GmbH (Odeg) aufgerufen. Der Arbeitskampf wurde am gestrigen Donnerstag um 2.00 Uhr wieder aufgenommen. Es würden vermutlich zwischen 40 bis 60 Prozent der regulären Züge ausfallen, sagte der Vorsitzende des GDL-Bezirks Berlin-Sachsen-Brandenburg, Frank Nachtigall. Wie lange der Streik dauern soll, sagte der Gewerkschafter nicht.

Erst am vergangenen Sonntag wurde ein einwöchiger Streik bei der Odeg beendet. Das Unternehmen hatte einen dauerhaften Notfahrplan eingerichtet, weil es immer wieder bestreikt wird. Am Mittwoch hatte die GDL abermals einen Streik bei der Nord-Ostsee-Bahn begonnen.

Im Tarifkonflikt bei der Vogtlandbahn (VBG) ist auch nach dem Ende des Lokführer-Streiks keine Entspannung in Sicht. »Es bleibt bei Notfahrplan und Aussperrungen«, sagte Geschäftsleiter Hartmut Schnorr am Mittwoch. Mit dem Notfahrplan will die VBG auch im Fall weiterer Streiks einen verlässlichen Reiseverkehr anbieten. Die GDL hatte am Mittwochmorgen ihren Ausstand beendet.

Auch der neuerliche Streik beim Harz-Elbe-Express (HEX) ist zu Ende. Am Montag nahmen die am Samstag in den Ausstand getretenen Lokführer ihre Arbeit wieder auf. Als Reaktion auf die Streiks will die Veolia Verkehr Sachsen-Anhalt, wozu der HEX gehört, ebenfalls nicht komplett zum normalen Fahrplan zurückkehren.

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