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Enttäuschende »Reform«

Brüsseler Spitzen

  • Iris Menn
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Autorin ist Expertin für Meere und Biodiversität bei Greenpeace Deutschland.
Die Autorin ist Expertin für Meere und Biodiversität bei Greenpeace Deutschland.

Große Ziele hatte sich die Europäische Kommission für die Reform der Fischereipolitik gesteckt. Ein Paradigmenwechsel sollte erfolgen; der »große Wurf« war geplant. Der Vorschlag, den Kommissarin Maria Damanaki am Mittwoch vergangener Woche in Brüssel präsentierte, ist indes mehr als enttäuschend. Eine nachhaltige Fischerei in den europäischen Gewässern bis 2015, wie im Bericht als Ziel formuliert, ist mit den vorgeschlagenen Maßnahmen nicht zu erreichen.

Das Hauptelement der Maßnahmenvorschläge sind handelbare Quoten. Diese werden jedoch die Überfischung nicht stoppen. Dem Vorschlag fehlen konsequente Maßnahmen für eine nachhaltige Fischerei, vor allem die verpflichtende Festsetzung der Fangquoten, basierend auf wissenschaftlichen Empfehlungen, und der Abbau der Überkapazitäten der Fangflotte.

2008 hat die Kommission selber erkannt, dass die europäische Flotte zwei- bis dreimal so viel Fisch fängt wie die sinkenden Fischbestände vertragen können. Fast 90 Prozent der Speisefischbestände in den europäischen Meeren sind überfischt. Bei 30 Prozent davon steht sogar die Erholung in Frage. Langfristig können Fischer in Europa und in Deutschland von der Reform nur dann profitieren, wenn eine grundlegende Erholung der Bestände eintritt. Die Voraussetzung dafür ist ihre nachhaltige Bewirtschaftung. Umso unklarer ist es aus Sicht von Greenpeace, warum Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner den Vorschlag der Kommission begrüßte. Die deutsche Fischerei, die in ihrer Verantwortung liegt, wird davon nicht profitieren.

Aus der Sicht von Greenpeace kann eine nachhaltige Fischerei in Europa nur durch Abbau der Überkapazitäten und Umbau der Fischereiflotte erreicht werden. Wir müssen weg von riesigen Fabrikschiffen, die Unsummen an Subventionen verschlingen, hin zur handwerklichen Fischerei, die mehr Arbeitsplätze schafft. Und: Wir müssen weg von zerstörerischen Fangmethoden hin zu schonender Fischerei, die Beifänge vermeidet. Rückwürfe müssen verboten sein. Zu einer nachhaltigen Fischerei gehört ebenso die Einhaltung der wissenschaftlichen Empfehlungen bei der Quotenvergabe und die Einrichtung von großflächigen Meeresschutzgebieten, die den Wiederaufbau der Bestände unterstützen.

Grundlagen der gemeinsamen Fischereipolitik in der Europäischen Union müssen ein ökosystemarer Ansatz und das Vorsorgeprinzip sein. Das heißt, die Auswirkungen der Fischerei auf das gesamte Ökosystem müssen betrachtet und in das Management einbezogen werden. Das Fehlen von Informationen oder wissenschaftlichen Daten muss – entsprechend dem Vorsorgeprinzip – eben zu »vorsorgenden« Maßnahmen führen, und zwar so lange, bis Zweifel ausgeräumt sind. Als positiv an dem Vorschlag der EU-Kommissarin sieht Greenpeace daher die Vorgabe des Ökosystemansatzes für das Fischereimanagement und die Aufnahme von mehrjährigen Bewirtschaftungsplänen.

Die EU ist die drittgrößte Fischereimacht der Welt – nach China und Peru. Dieser Verantwortung muss sie gerecht werden. Sie kann Vorbild für die Weltfischerei sein. Ein Vorbild, das dringend nötig ist, denn laut Welternährungsorganisation FAO ist die Überfischung 2010 auf ein Rekordhoch geklettert: 53 Prozent aller kommerziell genutzten Bestände werden in höchstmöglichem Maße genutzt, 32 Prozent sind überfischt und nur 15 Prozent werden mäßig genutzt oder könnten stärker ausgeschöpft werden. Für eine langfristige Erhaltung der Fischbestände, ebenso wie für eine langfristige Versorgung mit Fisch, brauchen wir global denselben Paradigmenwechsel, der für Europa nötig ist.

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