Besser töten ohne Frauen

Die »Neue Rechte« sorgt sich in der Bundeswehr nahestehenden Medien um die Streitkräfte

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen galt vielen – darunter auch in der deutschen Linken – als Fortschritt im Sinne der Gleichberechtigung. Diese zweifelhafte These wird nun zunehmend attackiert, allerdings aus einer Ecke, mit der die Linke nicht gern identifiziert wird – von der Neuen Rechten.
Sind Männer wirklich die besseren Killer?
Sind Männer wirklich die besseren Killer?

»Unter Absehung von der Realität wurde den jungen Frauen vorgegaukelt, ihr Geschlecht sei nur eine Konstruktion und es bedürfe nur der Überwindung dieses Vorurteils, um es den Männern in allen Belangen gleichzutun.« Schon klar, dass derartige Sätze in Uni-Seminaren nicht wirklich gut ankommen. Aber wie steht es mit der Bundeswehr? Zumindest in ihr nahestehenden Publikationen wird gerne darüber diskutiert, ob es bei Frauen durch »gynäkologische Erkrankungen vor allem im Wüsten- oder Dschungelkampf« zu »Ausfällen in bedenklichem Ausmaß« kommt. Nun lässt sich wohl – etwa aus pazifistischer Sicht – darüber diskutieren, ob es nicht gemäß dem alten Grundgesetzparagrafen besser war, dass zumindest Frauen beim Töten nichts zu suchen haben. Dieser jetzige Diskurs aber kommt von rechts außen und sorgt sich angesichts einer drohenden »Feminisierung« der Bundeswehr eher um die Effizienz des männlichen Tötens.

Die Zeitschrift »MarineForum« ist immerhin das Organ der »Marine-Offizier-Vereinigung«, wo auch Experten des Verteidigungsministeriums schreiben. Und »Campus« ist die »Zeitung des studentischen Konvents« der Bundeswehr-Universität München. In beiden Medien ist Autor Erik Lehnert mit seinen Thesen vertreten, dass die Kampfkraft der Bundeswehr durch Frauen gefährdet sei und nennt die Feminisierung der Bundeswehr »inhuman«. Denn: »Obwohl es allgemein als unverantwortlich, wenn nicht sogar als kriminell gilt, sechzehnjährige Jugendliche oder sechzigjährige Männer in den Kampf zu schicken, da diese körperlich den Anforderungen des Schlachtfelds noch nicht oder nicht mehr gewachsen sind, betrachten sie es als fortschrittlich, Frauen ohne Rücksicht auf ihre offensichtlichen Nachteile im Kampf einzusetzen.« Frauen hätten halt »messbare Nachteile in Bezug auf Kraft und Ausdauer, Verwundungs-/Verletzungsgefahr und Einsatzfähigkeit, die vor allem aus den unterschiedlichen biologischen und soziologischen Voraussetzungen resultieren.«

Und so sei es auch zum Tod von zwei Offiziersanwärterinnen auf der »Gorch Fock« gekommen, wobei eine aus der Takelage stürzte. Insgesamt würden Frauen in der Bundeswehr die Effizienz des männlichen Tötens behindern, etwa durch weniger Disziplin, weniger Zusammenhalt, absichtliches und unabsichtliches Fehlverhalten aufgrund eines emotional anfälligen Klimas oder durch »Abweichungen von der Kernausbildungszeit aufgrund von zwischenmenschlichen Ablenkungen«.

Es ist ein extrem rechter Diskurs, der so in die Streitkräfte getragen wird, ist doch Autor Lehnert Geschäftsführer des »Instituts für Staatspolitik«, das politisch zwischen »Union und Neonazis« steht (»Financial Times Deutschland«) und gilt er doch als einer der Chefideologen der Neuen Rechten. Deren Gedankengut ist mittlerweile auch auf dem Campus der Bundeswehrhochschule München präsent. In der Ausgabe 1/2011 der Studentenzeitschrift »Campus« macht man sich neben der Werbung für die Broschüren des »Instituts für Staatspolitik« schon mal Gedanken darüber, dass »Frauen insbesondere im Oberkörperbereich eine geringere Trainierbarkeit aufweisen.«

Gleichzeitig fragt man sich dort, ob es für das heutige Deutschland überhaupt noch zu Töten und Sterben lohne, wo sich doch allerorts »Pluralität« breitmacht: »Vielmehr gilt es, ein neues Gut zu finden, das die gegenwärtig tendenziell destruktive Pluralität konstruktiv wendet, das die Individualität neu ausrichtet und stabilisiert. Notwendig ist eine neue gute Sache, die einigt, für die es sich gemeinsam einzustehen, zu kämpfen und sogar zu sterben lohnt.«

Dieser »neuen, guten Sache« steht derzeit allerdings noch die »ideologische Bedeutungslosigkeit der militärischen Führungselite« im Wege. Der Soldat müsse deshalb wieder lernen, etwa an der Bundeswehr-Uni, »auch den Kampf an der ideologischen Grenze zu führen«.

So fragt dann auch Oberstleutnant Martin Böcker in seinem Editorial für das Offiziers-Nachwuchs-Blatt: »Wann hat der deutsche Offizier die Möglichkeit, einen wirklich unbequemen Standpunkt frank und frei zu äußern, ohne dabei Laufbahnnachteile zu riskieren?« Im Schutze der Pressefreiheit, lautet die Antwort, und er verspricht, diesen Umstand »schamlos auszunutzen«. Und es applaudiert »MarineForum«-Autor Lehnert auf der Website »Sezession«, dass rechtslastige Debatten in der Bundeswehr nun nicht mehr »in Hinterzimmern«, sondern »offen geführt« werden können. Sein Dank gilt dem Chefredakteur des »Campus«, der ja auch als Autor der »Jungen Freiheit«, dem Hauptorgan und Sammelbecken der Neuen Rechten, »über das notwendige Rüstzeug verfügt, um Gegenwind durchzustehen.«

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) nannte im »Hamburger Abendblatt« den Artikel im Marineforum eine »geschmacklose Auseinandersetzung über den Tod der See-Kadettin auf der Gorch Fock«. Mittlerweile distanziert sich auch die Präsidentin der Bundeswehrhochschule, Merith Niehuss, von dem »Campus«-Blatt. In einer Stellungnahme machte sie klar, die Universitätsleitung sehe »in einer Verbreitung dieses geistigen Gedankenguts einen potenziellen Herd für eine Näherung an den Rechtsextremismus, die wir schon im Grundsatz verhindern wollen. Somit wird jegliche weitere Werbung von Organen der »Neuen Rechten« hiermit untersagt«.

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