Untersuchung beendet – und nun?

Oppositionsfraktionen haben Berichte zum Kundus-Bombardement verfasst. Jede für sich.

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Anders als die Koalition sehen die Oppositionsparteien die handelnden Akteure in der sogenannten »Kundus-Affäre« massiv belastet. Nach der SPD äußerten sich am Donnerstag auch Grüne und Linksfraktion zu den Ergebnissen des Bundestags-Untersuchungsausschusses. Dabei geht es um die Bombardierung zweier Tanklaster am Kundus-Fluss am 4. September 2009. Die – und damit die Tötung von vermutlich über 100 Zivilisten – hatte ein Oberst der Bundeswehr angewiesen.

Es ist fast zwei Jahre her, da befahl Oberst Georg Klein, Kommandeur des PRT Kundus, den »folgenschwersten militärischen Waffeneinsatz in der Geschichte der Bundeswehr«. So nennt die SPD das, was im Laufe der vergangenen Monate immer mehr zur »Affäre Kundus« heruntergeredet worden ist.

Der Hergang ist geklärt. Doch nicht Dank des Versprechens, das Angela Merkel einige Tage nach dem grausamen Angriff im Parlament abgegeben hatte. Sie versprach »lückenlose Aufklärung«, das sei ein »Gebot der Selbstverständlichkeit«. Dazu getan hat sie nichts. Im Gegenteil, so sagen die drei Oppositionsparteien. Sie loben da eher ihre eigene Arbeit im eingesetzten Bundestags-Untersuchungsausschuss. Auch darüber kann man geteilter Meinung sein.

Dennoch, man weiß relativ viel über die Hintergründe und das Geschehen selbst. Das ZDF schickte sich sogar an, eine Dokufiction zum zweiten Jahrestag des verheerenden Ereignisses zu senden. Doch am Sendetermin, dem 2. August um 20.15 Uhr, strahlte man statt »Ein Fall für Kunduz« eine Folge der Reihe »ZDF Royal« aus. Im Gegensatz zum Kriegsgeschehen bringen »Traumhochzeiten! Traumpaare?« Quoten. Deutscher Krieg soll nun am 7. September gesendet werden. Um 22.45 Uhr.

Sollte zu geringes Interesse ein stichhaltiges Argument zur Verschiebung der Sendung gewesen sein, dann hätte die Regierungskoalition im Herbst leichtes Spiel, ihre verharmlosenden Ergebnisse aus dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages an die Frau und den Mann zu bringen. Für Union und FDP ist klar: Oberst Klein hat Fehler gemacht, für die öffentliche Darstellung seines Tuns waren der Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert aus dem Verteidigungsministerium verantwortlich. Beide sind vom damaligen Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gefeuert worden. Guttenberg selbst und sein Vorgänger Franz-Josef Jung (CDU) haben auch persönliche Konsequenzen aus ihrer falschen Einschätzung gezogen. Jung wie Guttenberg hatten darauf beharrt, dass der Angriff militärisch angemessen, ja sogar notwendig gewesen sei.

War's das? Aufgabe des Untersuchungsausschusses war, die Umstände zu klären, unter denen Oberst Klein den Befehl zum Bombenabwurf gab, bei dem 22 Kinder unter 15 Jahren sowie mindestens weitere 60 unschuldige Zivilisten umgebracht worden sind.

Nach der Vernehmung von 41 Zeugen in mehr als 145 Stunden sowie dem Studium zahlreicher Dokumente nennen die SPD-Ausschussmitglieder den Angriff in ihrem Sondervotum immerhin »einen schweren militärischen Fehler«. Die LINKE betont in ihrem Sondervotum, dass die Attacke völkerrechtswidrig war und dass die Bundesregierung sich aus Sorge um ihr Abschneiden bei der Bundestagswahl Ende September 2009 sowie aus Angst um die Moral der kämpfenden Truppe in Manipulation, Vertuschung und Grauzonenlaviererei geflüchtet hat. Ähnlich sehen das die Vertreter der Grünen. Die SPD dagegen fand zumindest keine Hinweise – »nicht einmal eine E-Mail« – darauf, dass die Regierung – an der sie ja 2009 noch beteiligt war – aus Furcht vor negativer Wahlwerbung Dinge vertuscht hat.

Bei den zu 80 Prozent geheimen Beratungen des Untersuchungsgremiums – entsprechend dürftig sind die öffentlich zugängigen Berichte – ist deutlich geworden: Es ging bei der Attacke nicht um Selbstverteidigung und nicht darum, Gefahren von ISAF abzuwenden. Man wollte vier am Fluss geortete Taliban-Führer töten. Billigend nahm man in Kauf, dass dabei Unschuldige umgebracht wurden. Das geschah offenbar vor allem auf Betreiben der geheimnisvollen Task-Force 47.

Obwohl die Berichte der Oppositionsparteien zum Bombardement von Kundus viele Gemeinsamkeiten enthalten, kam es nicht zu einem gemeinsamen Dokument. Mit den Grünen hätte das ja vielleicht noch geklappt, sagte SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Doch keinesfalls mit denen von der Linksfraktion. Denn die »lehnten ja den Einsatz in Afghanistan grundsätzlich ab und nutzen dafür jedes Argument«.

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