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»Ein Aufrührer für Demokratie«

Die Hausdurchsuchung beim Jenaer Pfarrer Lothar König weckt Erinnerungen

  • Lesedauer: 3 Min.
Am frühen Mittwochmorgen durchsuchte die sächsische Polizei die Wohnung und das Dienstzimmer des Jugendpfarrers Lothar König im thüringischen Jena. Der Vorwurf: »aufwieglerischer Landfriedensbruch« im Zusammenhang mit den Anti-Nazidemonstrationen am 19. Februar in Dresden. MARKUS DRESCHER sprach für ND mit DAVID BEGRICH über das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden.
David Begrich ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V. in Magdeburg.
David Begrich ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V. in Magdeburg.

ND: Dem Jugendpfarrer Lothar König wird vorgeworfen, er habe während der Proteste gegen den alljährlichen Naziaufmarsch in Dresden aus einem Lautsprecherwagen heraus dazu aufgerufen, die Polizei mit Steinen zu bewerfen. Sie kennen Herrn König schon sehr lange, können Sie sich einen derartigen Gewaltaufruf vorstellen?
Begrich: Die knappe Antwort lautet: Nein. Die längere Antwort lautet: Lothar König gehört zu den wichtigsten Impulsgebern der DDR-Opposition und der offenen Jugendarbeit der Evangelischen Kirche. Dieses Engagement für Jugendliche hat er über die Wendezeit hinaus fortgeführt, und er hat sich sehr intensiv mit Friedenspädagogik und Pazifismus beschäftigt. Ich bin absolut davon überzeugt, dass die Vorwürfe gegen Lothar König haltlos sind.

Die Staatsanwaltschaft Dresden scheint sich ihrer Vorwürfe ziemlich sicher zu sein. Immerhin rückte die sächsische Polizei zur Hausdurchsuchung in ein anderes Bundesland ein.
Es steht mir nicht zu, zu beurteilen, wie sie zu ihren Vorwürfen kommt. Ich kann nur sagen, dass ich Lothar König aus der Arbeit in den Netzwerken, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, als jemanden in Erinnerung habe, der mit großer Ruhe, mit großer Beharrlichkeit, mit großer Nachhaltigkeit für ein langfristiges, gewaltfreies Engagement für Demokratie geworben hat.

Lothar König hatte sich vergangene Woche im »Spiegel« sehr kritisch zum Vorgehen der sächsischen Polizei nach dem 19. Februar geäußert. Eine Woche später erfolgt die Hausdurchsuchung in Jena. Das sieht nicht nach Zufall aus.
Es ist egal, ob das ein Zufall ist oder nicht. Die Hausdurchsuchung und die Form der Inszenierung der Hausdurchsuchung zeigt, dass die Staatsanwaltschaft über keine zeitgeschichtliche Sensibilität im Umgang mit kirchlichen Räumen in den neuen Bundesländern verfügt. Jena war eine der Hochburgen der DDR-Opposition. Die Junge Gemeinde Stadtmitte gibt es seit fast 40 Jahren. Welche öffentliche Wirkung hat es, wenn die Polizei kirchliche Räume umstellt, durchsucht, Abgeordneten und Journalisten zunächst den Zugang verweigert. Das ruft Erinnerungen wach.

An staatliches Vorgehen in der DDR?
Mich haben die Bilder auf den ersten Blick an die Razzia der DDR-Sicherheitsbehörden in der Umweltbibliothek in Berlin 1987 erinnert. Natürlich kann man das nicht direkt miteinander vergleichen, weil Lothar König die Möglichkeit hat, sich anwaltlichen Beistand zu holen. Das hatten die damaligen Akteure nicht. Aber man muss schon sehr deutlich sagen, dass meiner Ansicht nach mit dieser Vorgehensweise der Rubikon bei Weitem überschritten ist.

In Richtung Repression gegen politisch Aktive, die unbequem sind?
Ich finde, dass die ganze Frage tatsächlich vor dem Hintergrund der Kontinuität des politischen Engagements von Lothar König sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik interpretiert werden muss. Ich bin mir absolut sicher, dass Lothar König, genauso wie zu DDR-Zeiten, ein Aufrührer ist, aber nicht ein Aufrufer zu Straftaten, sondern ein Aufrührer für Demokratie und Menschenrechte. Das ist er gewesen und das ist er bis heute. Und wir brauchen solche Menschen wie ihn in diesem Land, weil sonst die Demokratie nicht lebendig ist.

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