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»Gambit«-Strategie statt Zufallsmechanismus

Professor CHRISTIAN RIECK nähert sich »Schnick-Schnack-Schnuk« per Spieltheorie

  • Lesedauer: 3 Min.
Schnick-Schnack-Schnuck, Zick-Zack-Zuck, Ching-Chang-Chong (ND-Foto: Camay Sungu). Wohl jeder kennt das lustige Wettspiel, bei dem mit den Händen Symbole geformt werden: Stein (gleich Faust) schlägt Schere (gespreizter Zeige- und Mittelfinger) und verliert gegen Papier (flache Hand), das den Stein einwickelt, aber seinerseits logischerweise der Schere unterliegt. Recht übersichtlich, so scheint's – bis man das Buch »Spieltheorie« von Christian Rieck (47) aus Eschborn gelesen hat. In dem der hauptberufliche Professor der Finanzwirtschaft das Knobelspiel akribisch analysiert.

ND: Wo liegt die Herausforderung für Sie als Wissenschaftler, sich mit dem simplen Schnick-Schnack-Schnuck zu beschäftigen?
Rieck: RPS, Kurzform des englischen »Rock-paper-scissors« (Stein-Papier-Schere) und international üblicher Begriff für Schnick-Schnack-Schnuck, ist eines der klassischen Spiele und allein deswegen interessant. 1842 war übrigens in London der erste Rock-paper-scissors-Klub gegründet worden.

Abgesehen von den kulturhistorischen Spuren: Was ist das Spannende an diesem Glücksspiel?
RPS ist keineswegs ein Glücksspiel. Das Glücksspiel wird determiniert von einem Zufallsmechanismus. Ganz anders Schnick-Schnack-Schnuck, wo gerade kein Zufallsmechanismus greift. Alles hängt ab von den jeweiligen Verhaltensweisen der Teilnehmer. Die haben über ein Match genau so viel oder wenig Kontrolle wie beispielsweise während einer Schachpartie.

Eine Analogie zum Schach?
Beim Schach können Sie ganz genau bestimmen, welche Figur Sie im nächsten Zug bewegen wollen. Bei RPS auch.

Im Gegensatz zum Schach dürfte es aber recht schwierig sein, im Schnick-Schnack-Schnuck einen Plan zu entwerfen?
Aber nein, die richtige Strategie lautet: Sei für den Gegner möglichst undurchschaubar – und versuche zugleich, Deinen Kontrahenten zu durchschauen

Wie soll das funktionieren?
Ich habe einmal in einem Seminar die Aufgabe gestellt, Computerprogramme für RPS zu schreiben. Besonders erfolgreich war eins, das die Tiefe der Analysefähigkeit seiner Gegner zu kalkulieren versucht hat. Nach dem Prinzip: Dreimal habe ich jetzt den Stein ausgespielt, wird der Gegner nun annehmen, dass ich das Symbol wechsele? Oder wird der Gegner über mich denken: Weil der denkt, dass ich denke, dass er nun endlich das Symbol wechselt, wird der das eben wieder nicht tun – und zum vierten Mal auf Stein setzen?!

Da drehen sich die Überlegungen am Ende doch im Kreis!
Um das zu vermeiden, legen Spieler, die bei Turnieren antreten, z. B. bei den RPS-Weltmeisterschaften, vor der ersten Runde insgeheim für sich eine bestimmte Reihenfolge fest. Und sie ziehen die entsprechende Liste, die im Fachjargon »Gambit« heißt, stur durch.

Egal wie die Gegner reagieren?
Genau.

Fliegt man da nicht schon raus, bevor das »Gambit« greift?
Nein. Denn im Turnier absolvieren Sie nicht bloß einen einzigen Schlagabtausch im K.o.-System, sondern mehrere Sets, und am Ende wird bilanziert. Falls Sie konsequent Ihre »Gambit«-Linie halten, verhindern Sie zugleich, dass Sie kurzfristig psychologisch ins Wackeln kommen. Typisch ist nämlich, dass Sie nach einem Verlust sauer werden und quasi reflexhaft Stein wählen, weil Stein ein aggressiver Spielzug ist. Ein echter RSP-Profi merkt das – und punktet sofort mit dem Konter Papier.

Neben der Gambit-Strategie greifen manche zur Methode »Tarnen und Beobachten«.
Ein erfahrener Gegner kann, wenn Sie sich nicht im Griff haben, quasi auf Ihrem Gesicht »lesen«, welches Symbol Ihre Hand gleich zeigen wird.

Das Dreigespann Schere-Stein-Papier wird manchmal um den »Brunnen« erweitert, indem der Daumen mit den restlichen Fingern einen Kreis bildet.
Genau, doch die traditionelle, weil am längsten gespielte RPS-Version beschränkt sich auf die drei Symbole Stein-Papier-Schere.

Peilen Sie schon die WM im Schnick-Schnack-Schnuck an?
Nein. Ich bin Theoretiker, ich denke über das Spiel bloß nach.

Gespräch: René Gralla

Das Buch zu RPS: »Spieltheorie – Eine Einführung« von Christian Rieck«, Christian Rieck Verlag, 404 S. 25 Euro. Infos zu Schnick-Schnack-Schnuck-Turnieren:

www.worldrps.com

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