»Elemente des linken Fundamentalismus«

Vor der Bundestagswahl: Eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung vergleicht Programme von SPD, Grünen und PDS

Die PDS habe im Unterschied zu Rot-Grün noch kritische gesellschaftliche Zielvorstellungen, stellt eine Studie fest. Eine Annäherung zwischen PDS und Grünen gebe es im Bereich der individuellen Lebensgestaltung und der sozialen Grundsicherung. Die Studie spricht zugleich von »Traditionalismus« und »Fundamentalismus« bei den Sozialisten.

Die Politik in der Bundesrepublik macht Sommerpause, kurz bevor der Wahlkampf in die heiße Phase kommt. Auch in der PDS-Programmdiskussion ist eine Auszeit angesagt. Erst nach der Bundestagswahl am 22.September wird weiter debattiert. Im »Sommerloch« hat jetzt die PDS-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Studie vorgelegt. Horst Dietzel vergleicht die aktuellen programmatischen Positionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS. In allen drei Parteien wird seit einiger Zeit über neue Grundsatzprogramme debattiert. Der Autor ist selbst Mitarbeiter des PDS-Bundesvorstandes und beobachtet die Entwicklungen in den anderen Parteien. »Berliner Einerlei?« ist die Studie überschrieben. Die Antwort gibt Dietzel anhand der vorliegenden Dokumente der drei Parteien. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hatte im März dieses Jahres ein neues Grundsatzprogramm verabschiedet. Während die PDS noch über den Entwurf zu einem solchen diskutiert, liegt von der SPD erst eine Zwischenbericht der Grundsatzkommission vor. Der Autor bietet eine Bestandsaufnahme der programmatisch-politischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Er vergleicht die so genannten Grundwerte und gesellschaftlichen Zielvorstellungen in den Programmpapieren sowie die Aussagen zu verschiedenen Politikfeldern. Erwartungsgemäß kommt er zu dem Schluss, dass »die größten Differenzen zwischen SPD und Grünen auf der einen und der PDS auf der anderen Seite bestehen«. Das »regierungskonforme« Programm der Grünen mit linken Akzenten verzichte auf einen gesellschaftlichen Gegenentwurf, schreibt der Autor. Während sich die SPD-Aussagen zur Gesellschaft »völlig nebulös« zeigten, spreche nur die PDS »den kapitalistischen Charakter gegenwärtiger Gesellschaften« an. Trotz des ausgewiesenen Ziels ihrer transformatorischen Überwindung würden ihnen zugleich zivilisatorische Errungenschaften zugeschrieben. Dietzel macht bei den Positionen zu den politischen Herausforderungen der gegenwärtigen Entwicklungen bei allen drei Parteien Defizite aus. Bei SPD und Grünen werde »völlig ausgeblendet, dass der jetzt neoliberal dominierten Globalisierung auch politische Entscheidungen zugrunde liegen«. Bei beiden gebe es nur verhaltene Kritik an den bestehenden Verhältnissen. Zugleich unterschätze jedoch die PDS mit ihrer historisch orientierten Kapitalismuskritik die strukturellen Veränderungen in der Gesellschaft wie Bevölkerungsentwicklung, Individualisierung, Migration und ähnliche. Zugleich macht der Autor einen deutlichen Unterschied aus, wie einerseits die SPD und andererseits die Grünen und die PDS die Globalisierung bewerten. Deren Gefahren würden von ersterer »stark heruntergespielt« und von den anderen vor allem im Bereich von Demokratie und bei den Regierungen und Konzernen gesehen. Die verglichenen Positionen reichen von der Wirtschaft über die Arbeitslosigkeit und die Demokratie bis zur Sozialpolitik. Hier zeigt Dietzel Ähnlichkeiten auf, wie beim Arbeitsbegriff und dem Ziel, die Arbeitslosigkeit abzubauen, aber ebenso beim Ausbau der Demokratie und der Ökologie. »In der Frage einer anderen Lebensweise liegen PDS und Grüne programmatisch nahe beieinander«, stellt Dietzel fest. Auch bei Bildung, Wissenschaft und Forschung werden Gemeinsamkeiten ausgemacht. Oftmals seien aber die vorgeschlagenen Lösungswege unterschiedlich. Deutliche Unterschiede gebe es in der Sozialpolitik und den Sozialstaatsvorstellungen. Während für Grüne und PDS die Grundsicherung ein zentrales Thema sei, habe sich die SPD stillschweigend von diesem Ziel verabschiedet. Allerdings bleiben die Außen- und Sicherheitspolitik und die Europapolitik in der Studie ebenso ausgespart wie die Geschlechtergerechtigkeit, ohne dass ein Grund für dieses Vorgehen angegeben wird. Dabei sind das derzeit Themen, an denen sich die politischen Positionen der Parteien deutlich zeigen und sich auch Wähler orientieren dürften. Nur die PDS widme sich ausdrücklich den ostdeutschen Problemen, stellt der Autor fest. So werde die anhaltende Benachteiligung Ostdeutscher als »ernste Gefahr für die demokratische Verfasstheit unseres Landes« kritisiert. Zugleich sei nur bei dieser Partei durchgängig zu lesen, dass die fortdauernde Spaltung der Gesellschaft und ihrer Bereiche in Begünstigte und Benachteiligte nur überwunden werden könne, wenn die »zu Grunde liegenden Eigentums- und Machtverhältnisse grundlegend« verändert würden. Dietzel gibt nicht etwa der eigenen Partei die besten Noten. Die Passagen zum PDS-Programmentwurf sind durchaus kritisch gehalten. Wenn Dietzel etwa schreibt, das Dokument enthalte »Merkmale eines Kompromisspapiers verschiedener Parteiflügel«. Es sei mit seiner durchgängigen Kapitalismuskritik »stark linkstraditionalistisch«. Er hofft darauf, dass in der weiteren Programmdebatte »ein an der Realität orientiertes Herangehen« sich gegen die programmatischen »Elemente des linken Traditionalismus und Fundamentalismus« durchsetzt. Die Studie ist über die Rosa-Luxemburg-Stiftung erhältlich und kann unter ww...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.