Merkel wegen brennender Autos in Aufruhr

Berlin: Dritte Nacht in Folge Fahrzeuge in Flammen / Härtere Strafen und mehr Polizei gefordert

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Nacht zum Donnerstag brannten erneut neun Fahrzeuge in Berlin. Die Polizei in der Hauptstadt setzt bei der Aufklärung auf zusätzliche Präsenz und die Mithilfe aus der Bevölkerung. Derweil ist eine schrille bundespolitische Debatte um Maßnahmen gegen die unbekannten Brandstifter entbrannt.

Berlin. Nach durchweg hochwertigen Autos klingt das nicht. Ein Ford Mondeo und ein Audi A4 in Charlottenburg. Ein Opel Zafira und ein VW Passat sowie ein Audi 80 in Hohenschönhausen. Trotz einiger älterer Modelle geht die Berliner Polizei bei den Brandstiftungen in der Nacht zum Donnerstag von politischen Motiven aus: »In allen Fällen hat der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts die Ermittlungen übernommen«, heißt es in einer Presseerklärung.

Allmorgendlich zählt die Behörde die Schäden der Nacht auf. Dabei zündeten Unbekannte wahllos nun bereits in der dritten Nacht in Folge Fahrzeuge an. Insgesamt brannten seit Dienstagnacht 47 Autos. Seit Beginn dieses Jahres wurden in der Hauptstadt 157 Fahrzeuge in Brand gesetzt und 90 weitere bei den Feuern beschädigt.

Die Polizei verstärkte unterdessen nochmals ihre nächtlichen Brandstreifen – auch ein Hubschrauber mit einer Wärmebildkamera wurde eingesetzt. Kritik von Opposition und Gewerkschaften, es seien zu wenige Beamte im Einsatz, wies die Berliner Polizeipräsidentin Margarete Koppers im RBB zurück. »Ich glaube nicht, dass wir mit mehr Personal mehr Erfolg hätten.« Die Polizei setzt jetzt auch auf das Mitwirken der Bürger, die bei der Aufdeckung der Taten behilflich sein sollen. Insgesamt 5000 Euro Belohnung haben Polizei und Staatsanwaltschaft für solche Hinweise ausgelobt. Eine Prämie, die unterdessen von der CDU und einer rechtspopulistischen Partei auf 10 000 Euro erhöht wurde. Beide Parteien instrumentalisieren die Brandserie für den laufenden Wahlkampf.

Überhaupt mischen sich immer mehr schrille Töne in die Diskussion über die Brandstiftungen. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz und sein CDU-Pendant Wolfgang Bosbach wollen gar eine Vorstufe zum Terrorismus bei den Autozündeleien ausgemacht haben. Auch die RAF habe mit Brandanschlägen begonnen, sagte Wiefelspütz der »Bild«. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, erklärte in derselben Zeitung, er halte die Täter für »kranke Geister, die das Hab und Gut unbescholtener Bürger abfackeln«.

Spätestens seit gestern wird die Debatte über die angezündeten Autos in Berlin auch immer mehr auf bundespolitischer Ebene geführt. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich bei einem Festakt zum 60-jährigen Bestehen des Bundeskriminalamtes gestern in Wiesbaden besorgt über die Brandanschläge. Zwar seien, so Merkel, deutsche Städte von Krawallen wie jüngst in Großbritannien weit entfernt. Doch sei es gefährlich, wenn die Täter nicht nur Autos, sondern auch Kinderwagen in den Fluren von Mietshäusern in Brand setzen.

Ob es jedoch einen Zusammenhang zwischen beiden Brandserien gibt, die die Bewohner der Hauptstadt seit Monaten in Atem halten, ist reine Spekulation. Denn wer die Brandstifter sind und was sie antreibt, lässt sich mangels Fahndungserfolgen gar nicht sagen. »Ich kann überhaupt kein politisches Motiv erkennen«, erklärte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Auch Polizeipräsidentin Koppers meinte: »Die linksextremistische Szene steht nicht hinter den Taten und erklärt sich damit auch nicht einverstanden.« Doch Hintergründe spielen in der jetzt beginnenden Debatte sowieso nur eine untergeordnete Rolle. Denn ganz nach britischem Vorbild geht es um härtere Strafen und mehr Polizei – gegen wen auch immer.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal