Bulgarische Azubis in Niederbayern

Abiturienten vom Schwarzen Meer füllen nicht besetzte Lehrstellen aus

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.
Einen bisher ungewöhnlichen Weg der bayerisch-bulgarischen Freundschaft geht der niederbayerische Landkreis Deggendorf. Weil dort sich die heimischen Auszubildenden wenig für körperlich schwere Arbeiten als Maurer und beim Straßenbau sowie eher schlecht bezahlte Jobs in der Gastronomie begeistern, springen hier nun bulgarische Abiturienten ein.

Ende Juli trafen 16 künftige Azubis aus der Stadt Burgas am Schwarzen Meer mit Ausbildungsverträgen in der Tasche in Deggendorf ein. Initiiert hat diese Aktion der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU), um einem angeblich drohenden Fachkräftemangel vorzubeugen. Niederbayerische Neonazis sahen hingegen den »drohenden Volkstod« am Horizont heraufdämmern.

Seit dem 1. August haben die jungen Bulgaren die dreijährige Ausbildung in Niederbayern aufgenommen. Drei von ihnen lernen Koch, drei machen eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, zwei wollen Bäcker werden, einer Straßenbauer und sieben Maurer. Ausgebildet wird in elf Betrieben in den Landkreisen Deggendorf, Regen und Cham. Da es für die Lehrstellen keine örtlichen Bewerber gab, kam von der Arbeitsagentur die Erlaubnis für die Beschäftigungsverhältnisse, noch herrscht in Deutschland für Bulgaren keine Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Nazis hetzen gegen Azubis

»Wir in Deggendorf haben inzwischen fast doppelt so viele freie Ausbildungsplätze wie Bewerber, gerade in Berufen, die bei hiesigen Jugendlichen als nicht so attraktiv gelten«, begründet Landrat Bernreiter seinen Vorstoß. Bei der Arbeitsagentur standen im Juli 691 unbesetzte Lehrstellen 302 Bewerbern gegenüber. Die Wahl von Burgas in Bulgarien war nicht zufällig, pflegt doch der Landkreis Deggendorf seit über 20 Jahren partnerschaftliche Beziehungen auf Schulebene »mit dem dortigen Mechanotechnikum und dem Tourismusgymnasium. Der fast jährlich praktizierte gegenseitige Schüleraustausch gipfelte jetzt in der ›Anwerbung‹ von bulgarischen Azubis, was durch die in der Regel allgemein recht guten Deutschkenntnisse der bulgarischen Bevölkerung erleichtert wurde«, so der Landkreis in einer Mitteilung. Danach lernen 70 Prozent der jungen Bulgaren Deutsch.

Gestört werden könnte die bayerisch-bulgarische Freundschaft durch Hetzparolen der neonazistischen Internet-Plattform »Freies Netz Süd«. Dort wird unter dem Titel »Der Volkstod naht – Bulgarische Auszubildende im Landkreis Deggendorf« vor der »Verausländerung unserer Heimat« gewarnt und der »Kampf um den Erhalt unseres deutschen Volkes« propagiert.

Niedrigste Arbeitslosigkeit

Mit 2,9 Prozent verzeichnete Niederbayern im Juli die geringste Arbeitslosigkeit unter den sieben bayerischen Regierungsbezirken und hat so auch die Oberbayern überholt. Längst hat sich die Region zu einem Wirtschaftsstandort gemausert, der neben der Fahrzeugindustrie auch Firmen aus der Mess- und Regeltechnik oder dem IT-Bereich aufweist. »Wir sind in den vergangenen Jahrzehnten schneller gelaufen als die anderen«, erklärt Martin Frank, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern in Passau den wirtschaftlichen Aufschwung der Region. Unspektakulär, aber dafür Schritt für Schritt habe sich die Region entwickelt.

»Früher waren wir am Rande, jetzt sind wir mittendrin«, beschreibt Frank die Situation der heimischen Wirtschaft im Länderdreieck Deutschland, Tschechien und Österreich. Wo früher hinter dem Wald die Welt zu Ende war, sind heute Geschäftsbeziehungen hinüber nach Südböhmen und Oberösterreich entstanden. Aber nicht nur das. Über die Metropolenregion München und den Flughafen im Erdinger Moos sind die Unternehmen mit internationalen Wirtschaftsräumen verflochten. »Früher waren wir die verlängerte Werkbank deutscher Firmen«, so Frank, »heute haben kleine mittelständische Unternehmen weltweite Kontakte.« Der Wandel habe sich in Niederbayern »an allen Ecken und Enden abgespielt«, das Ergebnis sei nun das »erstaunliche Moment« der geringen Arbeitslosenquote.

Hilfreiche Finanzspritze

Dass die Niederbayern gut dastehen, hat auch mit der staatlichen Finanzspritze zu tun. Insgesamt stehen nach der jüngsten Krise im Konjunkturpaket II von Bund und Freistaat für den Regierungsbezirk Niederbayern 120 Millionen Euro für 225 Projekte wie zum Beispiel die energetische Sanierung von Kindergärten, Schulen oder Verwaltungsgebäuden zur Verfügung. So wird etwa die Grund- und Hauptschule der Gemeinde Kirchdorf am Inn mit 1,4 Millionen aus dem Fördertopf bedient, dafür wird die Schule energiewirtschaftlich saniert.

Gleiches gilt für den Kindergarten »Brombach« in Bad Birnbach, der mit 200 000 Euro gefördert wird und das Rathaus der Gemeinde Rossbach (290 000 Euro). Und in Bayerbach wird der Sieghartinger Bach für 93 000 Euro hochwasserfest gemacht. Daneben gibt es in Niederbayern 63 staatliche Maßnahmen wie den Staatsstraßenbau, die Modernisierung von Hochschulen und die Förderung der beruflichen Weiterbildung, für die weitere 49 Millionen Euro vorgesehen sind.

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