nd-aktuell.de / 25.08.2011 / Politik / Seite 5

Die Hilfe muss fortgesetzt werden

Manfred Bischofberger: Auch Regenfälle können die Existenzgrundlage nicht ersetzen

Manfred Bischofberger ist Regionalkoordinator der Welthungerhilfe in Äthiopien. Die Welthungerhilfe unterstützt dort und auch im benachbarten Somaliland, das sich 1991 von Somalia abgespalten hat, Projekte zur ländlichen Entwicklung, die die Ernährungssicherheit verbessern helfen. Über die gegenwärtige Hungersnot am Horn von Afrika sprach mit ihm für ND Martin Ling.
Manfred Bischofberger
Manfred Bischofberger

ND: Ein Ende der Hungerkrise am Horn von Nordafrika ist nicht in Sicht. Wie stellt sich die Lage in Äthiopien derzeit dar?
Bischofberger: Am stärksten von der Hungersnot betroffen sind der Osten und der Süden des Landes. Dort erwarten wir frühestens im September/Oktober Regenfälle, wenn sie nicht wieder ausbleiben. Auch wenn Regen fällt, wird davon ausgegangen, dass die akute Notlage zumindest bis zum Jahresende anhält. Mit Regenfällen würde sich zwar die Wasserversorgung für die Menschen verbessern, doch andere Existenzgrundlagen fehlten weiterhin.

Die Menschen leben von der Viehhaltung, doch die Herden sind wegen der Dürre in der Zwischenzeit stark reduziert. Die Menschen können davon kaum noch Einkommen erzielen, und ausreichend Produkte für den Selbstverbrauch – wie Milch – fallen auch nicht an. Mehr als Entspannung würden selbst Regenfälle nicht bringen, denn die Lebensgrundlage der Menschen ist weggebrochen.

Was für Äthiopien gilt, gilt so auch für Kenia und Somalia?
Ja, im Großen und Ganzen trifft das so auch für die Nachbarländer zu. Somalia ist noch mal ein Sonderfall, weil dort durch den jahrelangen Bürgerkrieg die Strukturen im Land nicht funktionieren. Für alle drei Länder gilt jedoch: Die Menschen sind weiter auf Hilfsgüter und vor allem Nahrungsmittel angewiesen, und das wird auf Monate so bleiben. Danach stellt sich dann die Frage, wie man die Lebensgrundlage der Menschen wieder herstellen kann, wie die Viehherden wieder aufgebaut und die Wasserversorgung gesichert werden können.

In Bezug auf die Dürre ist immer von Somalia, Kenia und Äthiopien die Rede. Was ist mit Somaliland, das sich 1991 von Somalia abgespalten hat und seitdem eine relativ friedliche und prosperierende Entwicklung genommen hat?
Die Welthungerhilfe ist in Somaliland tätig, wir betreuen Somaliland hier von Addis Abeba aus. Wir unterhalten dort gegenwärtig ein Projekt im Bereich Ernährungssicherung. Da geht es um landwirtschaftliche Maßnahmen, um Trinkwasserbereitstellung, um veterinärmedizinische Maßnahmen und Erwachsenenbildung. Wir arbeiten dort seit mehr als zehn Jahren und es funktioniert recht reibungslos. In Somaliland herrscht akut keine Hungersnot. Es sind dort auch einigermaßen regelmäßig Niederschläge gefallen. Die Situation ist mit der in Somalia nicht annähernd zu vergleichen. Die staatlichen Strukturen sind zwar rudimentär, aber sie funktionieren auf einem bescheidenen Niveau. Konflikte werden intern gelöst. Auf Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft wartet Somaliland freilich immer noch.

Wie läuft bei der Hilfe die Kooperation mit den Behörden? In einer ARD-Fernsehreportage war von schleppenden Genehmigungen für ausländische Ärzte in Äthiopien die Rede.
Die Zusammenarbeit mit der Regierung funktioniert im Moment ziemlich reibungsfrei. Die Regierung unternimmt auch selber Maßnahmen, um den Bedürftigen zu helfen. Das heißt, es gibt im Moment einen Mix von verschiedenen Akteuren, die Hilfe leisten. Die internationale Gemeinschaft vor allem durch das Welternährungsprogramm (WFP), die Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) wie wir und auch die lokalen Regierungen. Die äthiopische Regierung ist im Großen und Ganzen sehr hilfsbereit, notwendige Formalitäten zu erledigen. Der Bedarf ist so groß, dass weder die Regierung noch das Welternährungsprogramm noch die NRO das allein stemmen können. Die Herausforderung lässt sich nur gemeinsam anpacken, und das wird gemacht.

Am Donnerstag findet eine Geberkonferenz der Afrikanischen Union statt. Vorab gab es zuweilen Kritik, dass die afrikanischen Regierungen sich über Gebühr mit Hilfe zurückhalten. Berechtigt?
Die Kritik halte ich für überzogen. Es gibt auf dem afrikanischen Kontinent nur wenige Länder, die jetzt direkt Hilfe leisten können, weil den meisten die Strukturen und die Logistik dafür fehlen. Nigeria wäre vielleicht ein Ausnahmefall. Die afrikanischen Regierungen müssen sich Gedanken machen, wie sie die strukturellen Probleme in der ländlichen Entwicklung lösen. Was sich jetzt am Horn von Afrika abspielt, kann sich im nächsten Jahr im südlichen Afrika ereignen. Der ganze Kontinent wird im Zuge des Klimawandels häufiger von Naturkatastrophen betroffen sein. Hier helfen nur langfristige strukturelle Veränderungen zur Stärkung der Ernährungssicherheit und -souveränität.

Ist erkennbar, dass die afrikanischen Regierungen nach der allgemeinen Vernachlässigung der ländlichen Entwicklung seit den 80er Jahren inzwischen umschwenken?
Es ist in Ansätzen erkennbar, dass ländliche Entwicklung und landwirtschaftliche Produktion, gerade angesichts steigender Nahrungsmittelpreise, deutlich mehr Aufmerksamkeit erhalten. Bei den finanziellen Zusagen spüren wir das aber noch nicht in dem Maße, wie es notwendig wäre. Hier müssen den Worten noch deutlichere Taten folgen. Der afrikanische Kontinent hat ein riesengroßes Potenzial. Hier besteht auch eine große Chance, dass mit gestiegenen Erzeugerpreisen für die ländliche Bevölkerung neue Einkommens- und Lebensperspektiven entstehen. In Äthiopien hängen zum Beispiel über 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft ab. In der Krise liegt auch eine Chance: Es ist eine ideale Zeit, um dem Agrarsektor viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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