439 Seiten zur HSH Nordbank

Der Landtag in Kiel diskutiert Abschlussbericht

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute beschäftigt sich der Landtag Schleswig-Holsteins mit dem Abschlussbericht zur Fast-Pleite der HSH Nordbank.

Nein, die berühmten »Leichen im Keller« hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) im Kieler Landtag zu den Fehlentwicklungen bei der HSH Nordbank nicht entdeckt. Die gemeinsam von Schleswig-Holstein und Hamburg betriebene Landesbank stand im Spätherbst 2008 unmittelbar vor dem Abgrund und konnte nur mit neuen Milliardenspritzen der Anteilseigner am Leben erhalten werden.

Der 439 Seiten dicke Abschlussbericht des PUA birgt kaum Sprengkraft, wusste man doch bereits vor dessen Einsetzung im Oktober 2009, dass durch reihenweise windige Geschäfte mit strukturierten Wertpapieren, die mehr einem Zocken auf Glücksspielniveau als ökonomischer Vernunft glichen, dem Land von 2007 bis 2009 ein finanzieller Verlust von 1,7 Milliarden Euro entstanden ist. Das Minus für Hamburg betrug gar 1,9 Milliarden Euro, der Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein verlor 860 Millionen Euro.

Der Landtag in Kiel wird heute in einer 90-minütigen Debatte noch einmal zusammenfassen, streiten und bewerten, wozu der PUA fast zwei Jahre benötigte, 27 Zeugen anhörte und insgesamt 800 000 Euro an Kosten verschlungen hat. SPD-Obmann Jürgen Weber kommentierte das Ergebnis mit »Keiner ist frei von Verantwortung« und drückte damit sehr charmant aus, dass eigentlich alle Kontrollgremien versagt haben, angefangen beim Risikomanagement der Bank bis hin zum Aufsichtsrat. Die Grünen attackieren insbesondere Finanzminister Rainer Wiegard (CDU). Dieser dürfe seinen Teil der Verantwortung noch immer aussitzen, urteilen die Grünen. Für die LINKE steht fest, dass der Traum von einer lukrativen Privatisierung geplatzt ist. Das Bestreben, auf dem globalen Markt mitzuspielen, war von Anfang an eine Seifenblase und gleich ein paar Nummern zu groß für den weltweit größten Schiffsfinanzierer.

Als das Kind dann in den Brunnen gefallen war, stellte sich im Krisenherbst die Frage nach einem Rettungsmodell, dem Abwracken oder einer Totalpleite, die auch für Hamburg und Schleswig-Holstein – belastet mit der Gewährsträgerhaftung – zu einem schmerzhaften Fiasko geführt hätte. SPD und CDU verständigten sich auf eine neue Kapitalspritze von drei Milliarden Euro und Garantien in Höhe von zehn Milliarden Euro. Dieser Rettungsschirm wurde als »alternativlos« kommuniziert – aus Sicht des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) ein Spiel mit dem Feuer. Für den SSW und die FDP steht fest, man hätte die Sanierung auch mit dem Bund zusammen in Angriff nehmen können und dann weniger eigenes Kapital »stemmen« brauchen.

Streitpunkt bleibt die Maßnahme der schwarz-gelben Landesregierung, sich komplett aus dem Aufsichtsrat zurückzuziehen. Dies ist nicht gerade eine dringend nötige Stärkung des Kontrollgremiums, sondern genau das Gegenteil. Ein »Fehler allerersten Ranges« ist seitens der LINKEN zu hören.

Konkrete Schuldzuweisungen sind wohl erst durch die Staatsanwaltschaft in Hamburg zu erwarten. Sie hat mehrere Vorstände im Visier, ermittelt unter anderem wegen Untreue und Bilanzfälschung. Bereits in Kürze könnte es eine Anklageerhebung geben.

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