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Wenn aus der CO2-Verpressung die Luft raus ist

Bundestagsabgeordneter Wolfgang Neskovic versucht in Schweden, neue Tagebaue in Brandenburg zu verhindern

Über neue Braunkohletagebaue in Brandenburg entscheidet nicht nur die CCS-Technik, sondern auch Vattenfall in Schweden.

Die CCS-Technologie zur Abscheidung und Verpressung von Kohlendioxid sollte die Stromerzeugung aus Braunkohle sauber machen. Doch selbst wichtige Befürworter der umstrittenen Technologie gestehen hinter vorgehaltener Hand schon lange, dass sie nicht mehr daran glauben, dass CCS in Deutschland jemals zur Anwendung kommt. Daran knüpft sich die Frage, ob neue Tagebaue in Brandenburg überhaupt noch zugelassen werden. Schließlich wurde die CCS-Technik zur Bedingung dafür gemacht.

Knackpunkt ist das CCS-Gesetz der Bundsregierung. Der gegenwärtige Entwurf würde es einzelnen Bundesländern gestatten, die Technik auf ihrem Territorium zu verbieten. Doch wenn Niedersachsen und Schleswig-Holstein aussteigen, wird die ganze Sache hinfällig. Immerhin befinden sich vor allem dort die Gesteinsschichten, die als Lagerstätten für CO2 in Frage kommen. Dürfen sie nicht gefüllt werden, macht es wenig Sinn, die CCS-Technik in Ostbrandenburg zu erproben.

Das weiß Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) und das weiß auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Darum haben sie ein CCS-Gesetz, dass einzelnen Bundesländern den Ausstieg ermöglicht, schon frühzeitig abgelehnt. Es stimmt einfach nicht, dass Platzeck dies erst Mitte August erklärt hätte. Meldungen, die eine Sensation suggerierten, waren schlicht falsch.

Nehmen wir an, CCS sei tatsächlich gescheitert. Was geschieht mit der Braunkohleindustrie des Energiekonzerns Vattenfall in der Lausitz? Die rot-rote Landesregierung soll die Konsequenzen ziehen und die Tagebaue Welzow-Süd II und Jänschwalde-Nord stoppen, forderte Axel Kruschat, Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz. Vor drei Jahren habe der Landtag beschlossen, dass neue Tagebaue nur genehmigt werden, wenn die Kohlekraftwerke mit der CCS-Technologie ausgestattet werden, erinnerte Kruschat. Er verlangte, das Genehmigungsverfahren für die Erkundung von CO2-Lagerstätten in Neutrebbin und Beeskow-Birkholz abzubrechen.

Grünen-Landeschefin Annalena Baerbock drängte, »dem Aufschluss neuer Tagebaue eine klare Absage zu erteilen«. Die Beschäftigten würden nicht von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz verlieren, betonte sie. Die Kohlevorräte in den bereits genehmigten Tagebauen würden noch für rund zwei Jahrzehnte reichen. Kruschat meint, die schrittweise Umstellung auf erneuerbare Energien bis 2040 wäre möglich. Es gibt mittlerweile Andeutungen, dass man neue Tagebaue vielleicht auch ohne CCS zulassen müsse. Platzeck und Christoffers haben zumindest erklärt, einen gleichzeitigen Ausstieg aus Atomenergie und Braunkohle könnten sie sich schwer vorstellen.

Indes glaubt der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic (LINKE), in der gegenwärtigen Situation komme es gar nicht auf Potsdam an. Die Pläne des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall würden in Stockholm bestimmt und nicht von Platzeck und Chris-toffers. Im Mai ist Neskovic nach Schweden gereist und hat sich dort mit Reichstagsabgeordneten aller Fraktionen unterhalten, außerdem Gespräche mit Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums und mit Vattenfallmanagern geführt. Er habe unter den Reichstagsabgeordneten niemanden gefunden, der für eine längerfristige Verstromung der Braunkohle in Deutschland eingetreten sei, berichtete Neskovic hinterher. In Schweden gebe es leider kein Bewusstsein, dass »durch Tagebaue ganze Landschaften förmlich ausradiert werden«. Nach dem Hinweis, dass es so sei, habe ein Reichstagsabgeordneter der Grünen gesagt, seit König Gustav Adolf im Dreißigjährigen Krieg habe kein Schwede so viel landschaftliche Verwüstung in Deutschland hinterlassen wie die Firma Vattenfall.

Bekanntlich betreibt Vattenfall aber nicht nur Atomkraftwerke und Braunkohletagebaue. Der Konzern investiert darüber hinaus in die Windkraft und andere erneuerbare Energien. »In einer neuen Regierungsdirektive ist Vattenfall aufgefordert worden, neben der Gewinnerzielung auch eine ökologisch-nachhaltige Politik zum Unternehmensziel zu erklären«, erläuterte Neskovic. Die Kompetenz in Sachen erneuerbare Energien sei in der Lausitz willkommen.

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