Renate kapituliert – vor laufenden Kameras

Mit der Festlegung auf Rot-Grün gibt Wowereit-Herausforderin Künast Ambitionen auf den Wahlsieg auf

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Im RBB-Fernseh-Duell mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) begräbt Renate Künast endgültig ihr Ziel, selbst Chefin im Berliner Roten Rathaus zu werden. Mit der Festlegung auf Rot-Grün versucht die Grüne-Spitzenkandidatin die in Umfragen bei 6,5 Prozent liegenden Piraten kleinzuhalten und zugleich die SPD dazu zu zwingen, ebenfalls Farbe zu bekennen.

Das Fernsehduell zwischen dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und seiner Grünen-Herausforderin Renate Künast am Donnerstagabend läuft seit exakt 10:54 Minuten, als die bis dahin vor sich hin plätschernde Sendung eine dramatische Wendung nimmt. Soeben hat der Regierende, der in Umfragen inzwischen deutlich führt, seiner Herausforderin einmal mehr ihre Achillesferse aufgezeigt.

»Ist das die harte Bedingung für eine Koalition, oder ist es sie nicht?«, wendet sich Wowereit genüsslich an Künast. Gemeint ist die Verlängerung der A 100. Wohlwissend, dass die Autobahn-Frage auch bei einer schwarz-grünen Koalition entscheidend wäre, schließlich ist das die einzige Machtoption, die Künast theoretisch geblieben ist. Dass die Grünen am 18. September vor der SPD landen, glaubt schon lange niemand mehr.

Es ist der RBB-Chefredakteur Christoph Singelnstein, der versucht, Künast aus der unangenehmen Situation zu befreien. Singelnstein wirft ein, dass Koalitionsverhandlungen erst nach der Wahl zu führen seien. Doch statt die rettende Hand des Moderators zu ergreifen, kommt der Moment, den man einmal vielleicht als das Ende der Spitzenkandidatur Künasts für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin beschreiben wird.

Denn Künast, die im Wahlkampf auf den Plakaten bisher mit ihrem Vornamen »Renate« für den Chefsessel warb, gibt auf. Renate kapituliert. »Ich werde meiner Partei nicht vorschlagen, eine Koalition mit der CDU einzugehen«, sagt Künast und lässt damit die grün-schwarze Option fallen. Und, sie betont es gleich zweimal: »Das wäre mir das Liebste, das wir eine Koalition in Verbindung mit der SPD eingehen.«

Damit ist ein bemerkenswerter Versuch gescheitert, der im November 2010 seinen Anfang nahm. Zum ersten Mal peilten die Grünen damals an, in einem Bundesland die politische Führung zu stellen. Vermessen war das nicht. Lag die Partei doch in Berlin mit 30 Prozent neun Punkte vor der SPD, deren Frontmann als amtsmüde galt. Doch trotz dieser guten Ausgangsposition zögerte Künast wochenlang. Vielleicht hat sie damals zu Recht gezaudert, wie man heute weiß. Denn nach der Bekanntgabe der Spitzenkandidatur ging es für sie in den Umfragen kontinuierlich bergab. Zwar tat Künast zu Beginn das Ihrige dazu, verhaspelte sich etwa zu Tempo 30-Zonen. Doch die inhaltlichen Schwächen nahmen ab, Künast mühte sich redlich – selbst auch auf der Straße, wo ihr der Berlinversteher Wowereit meilenweit überlegen ist.

Der Traum, als Chefin ins Rote Rathaus einzuziehen, ist aber nicht erst seit dem Fernsehduell ausgeträumt. Schon seit Wochen stirbt die Grüne-Hoffnung täglich auf der Straße: Dort trifft die Basis der volle Unmut der Stammwählerschaft. »Zu uns an die Stände kommen nur noch Leute, die uns beschimpfen, wir würden die CDU wieder an die Macht hieven«, ätzt eine Vertreterin des linken Flügels der Partei. Dabei wäre der Basis so ein Bündnis gar nicht zu vermitteln.

Mit ihrem klaren Bekenntnis zur SPD beraubt sich Renate Künast jetzt zwar ihrer letzten Chance auf einen eigenen Sieg. Denn dass sie nicht als Stellvertreterin von Klaus Wowereit zur Verfügung steht, war von Anfang an klar. Doch ihrer strauchelnden Partei verschafft Künast dringend benötigte Luft für den Schlussspurt. Denn die Künastsche-Volte, Grün-Schwarz zu beerdigen, dürfte vor allem gegen die Piraten zielen. Die noch junge Partei profitiert in den vergangenen Wochen enorm von der Stimmung gegen Grün-Schwarz. Bei satten 6,5 Prozent liegen die Piraten. Ein Einzug ins Abgeordnetenhaus scheint in greifbarer Nähe. Künast musste also die Notbremse ziehen. Sie selbst wird weiter als Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag bleiben. Mit ihren Avancen an die SPD konnte sie überdies am Ende des Fernsehduells den Spieß umdrehen. Denn auch Wowereit muss Farbe bekennen. Er sieht »Schnittmengen mit der LINKEN und den Grünen«. Mit der CDU dagegen kann er es sich »nur ganz schwer vorstellen«.

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