Rückschlag für Rechtspopulisten

Fortschrittspartei verlor kräftig bei den Kommunal- und Regionalwahlen in Norwegen

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Knapp zwei Monate nach den blutigen Anschlägen in Norwegen hat die rechtspopulistische Fortschrittspartei bei den Kommunal- und Regionalwahlen kräftige Verluste eingefahren.

Oslo (AFP/ND). Nach offiziellen Angaben vom Dienstag nach Auszählung fast aller Stimmen verlor die Fortschrittspartei im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren sechs Prozentpunkte.

Die Fortschrittspartei kam auf rund elf Prozent der Stimmen. Der Rechtsextremist Anders Behring Breivik, der am 22. Juli in Oslo und auf der Insel Utöya insgesamt 77 Menschen getötet hatte, hatte der Partei bis 2006 angehört. Beobachtern zufolge hängt der Stimmenverlust aber weniger mit der früheren Mitgliedschaft Behring Breiviks zusammen. Ihre Zustimmungswerte waren bereits vor den Anschlägen gefallen, die Partei hatte sich nach den Anschlägen zudem energisch von Behring Breivik distanziert. Bereits zu Jahresbeginn hatte ein Sex-Skandal die Fortschrittspartei getroffen.

Die größten Stimmzuwächse konnten die auf Landesebene oppositionellen Konservativen verbuchen. Sie legten im Vergleich zu 2007 um 8,7 Prozentpunkte zu und erreichten 28 Prozent. Sie dürften auch künftig in den größten norwegischen Städten inklusive der Hauptstadt Oslo regieren.

Die sozialdemokratische Arbeiterpartei von Ministerpräsident Jens Stoltenberg konnte um knapp zwei Prozentpunkte auf 31,6 Prozent zulegen – vor den Anschlägen hatte sich noch ein deutlicher Stimmenrückgang abgezeichnet. Stoltenberg war für seinen besonnenen Umgang mit den Attentaten allgemein gelobt worden.

Die Wahlen hatten als Möglichkeit für die Norweger gegolten, sich mit ihrer Stimmabgabe gegen die rassistischen Thesen Behring Breiviks zu stellen. Dieser hatte Demokratien nach westlichem Vorbild verachtet, weil sie seiner Ansicht nach multikulturelle Gesellschaften förderten. Politiker hatten die Bürger dazu aufgerufen, mit ihrer Stimmabgabe ein Zeichen für die Demokratie zu setzen.

Allerdings lag die Wahlbeteiligung mit knapp 63 Prozent nur unerheblich über der bei den Kommunal- und Regionalwahlen von 2007. »Nach der nationalen Tragödie dieses Sommers wurde diese Wahl so etwas wie eine Volksabstimmung über unsere Demokratie, was sich in einer großen Mobilisierung der Wähler hätte äußern sollen«, sagte der politische Kommentator Harald Stanghelle von der Zeitung »Aftenposten«. »Das war nicht der Fall. Ich bin darüber erstaunt und traurig.«

Der Politikredakteur Tore Gjerstad von der Wirtschaftszeitung »Dagens Närinsgliv« wollte sich dieser Bewertung nicht anschließen: »Es ist gut, dass ein skrupelloser Kindermörder einen so minimalen Effekt auf die politische Landschaft hat.« Der Politikwissenschaftler Bernt Aardal von der Universität Oslo bezeichnete die Wahlen als »Rückkehr zur Normalität in der Politik«.

Das Verfahren gegen Behring Breivik wird gegen den Wunsch der Polizei nicht hinter verschlossenen Türen fortgesetzt. Richterin Anne Margrethe entschied, zur nächsten Anhörung des 32-Jährigen am 19. September erstmals Überlebende des Massakers, Angehörige der Opfer sowie andere Geschädigte zuzulassen. Die Berichterstattung bleibt jedoch strikten Beschränkungen unterworfen. Bei der Anhörung geht es um eine Verlängerung von Behring Breiviks Untersuchungshaft und der Beibehaltung seiner völligen Isolierung.

ND-Karte: Wolfgang Wegener

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