Benedikt, I love you

  • Mathias Wedel
  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz: Benedikt, I love you

Möget ihr atheistischen Leserinnen die Nase rümpfen, das ist mir egal: Ich bekenne freiweg: »Benedikt, I love you!« – natürlich auf eine sehr durchgeistigte Weise. Was er brabbelt, verstehe ich nicht. Doch es erinnert mich angenehm an irgendwas, ja es reißt in mir lange verschüttete Heimatgefühle auf.

Der Ratzeseppel erinnert mich an meine gute, alte sozialistische Einheitspartei. Und was mich nachgerade begeistert, ist, wie konsequent er aus der Niederlage der SED seine Lehren gezogen hat. In der deutschen Linken gibt es Geschwader von Leuten (in Stiftungen, Vereinen oder getarnt als Mitarbeiter in Wahlkreisbüros), die unablässig »die Fehler der Vergangenheit« analysieren, um die nächsten Fehler vorzubereiten (z.B. »beim nächsten Sozialismus bürgern wir Biermann nicht mehr aus«). Ganz anders der Papst. Er hat zur Enttäuschung aller »lauen Katholiken« (Originalton Benni) bei seinem Deutschland-Besuch gesagt: Demokratie? Nein danke!

Seine Kirche und meine einstige, die »Partei neuen Typs«, haben viel gemeinsam. Zum Beispiel den Markenkern, das Versprechen auf alsbaldige Erlösung, und zwar bei relativ geringer Leistung – Tischgebet und zehn locker zu erfüllende Gebote in seiner Kirche; Blutspende für Vietnam, Teilnahme am Parteilehrjahr und kein Kontakt zur Westverwandtschaft in meiner. Und beide nehmen sie uns die Angst vor dem Tod. Benedikt, weil er das Paradies verheißt. Die SED, weil ein früher Tod allemal besser ist, als 15 Jahre auf einen Trabant zu warten.

Um in diese Kirchen aufgenommen zu werden, muss man Prüfungen bestehen. Messdiener erzählen, wie ihnen der Pfarrer ans Gewand ging. Das war in der SED nicht die Norm des Parteilebens. Aber in meiner Kandidatenzeit musste ich dreimal vor der GO-Versammlung niederknien und beteuern, dass ich eher auf Wasser, Brot und Sex verzichten könne als auf die Weisheit der Parteiführung.

Was in Rom der Unfehlbarkeitsanspruch genannt wird, kleidete man in Berlin an der Oberwasserstrasse in den lustigen Vers: »Unser Weg ist richtig, weil er wahr ist.« Meine Partei wusste, was war, was ist und was sein würde – und wie es ist, das Leben nach der Auszahlung der Konsummarken. Probleme lösten sich, in dem die Partei riet, »die Beschlüsse« zu studieren, beispielsweise den »Brief an die Korinther« (»… zieht euch warm an, es wird Winter!«) oder die »Geraer Forderungen« (eine davon war bekanntlich, eine Botschaft des Vatikans in der Hannoverschen Straße in Berlin-Mitte zu eröffnen, wo es im Kundenshop lecker Oblaten geben sollte).

Meine Partei hatte, wie der Papst heute, ein Notzuchtproblem. Es gab regelrechte Massenvergewaltigungen zu Subbotniks, Massengesängen, Wehrertüchtigungsübungen und Prostitution am Straßenrand, wenn Breschnew und Honecker im offenen Tschaika von Schönefeld kamen. Das war ein Ausdruck von Liebe – zur Weltrevolution. Hätten wir nur die Souveränität des Papstes gehabt, der sich jede Einmischung der Feinde seiner Kirche verbittet. Erst recht, wenn sie den Katholiken vorschreiben wollen, wer wen lieb hat …

Auch in der Kondomfrage reagiert er geil! Sie überschattete praktisch die gesamte kommunistische Liturgie. Bei Kondomengpässen stellte die Partei OP-Handschuhe zu Verfügung, statt konsequent auf das Selbststudium des ND zu verweisen. Und den Zölibat gab sie leichtfertig auf – das Keuschheitsgelübde gegenüber den Verführungen des Westens, dem duftenden Konsum und süß klingenden Ideologien.

Oft hört man von Leuten, die keine Ahnung haben, die Katholiken könnten aus ihrer Partei ja austreten, wenn es ihnen nicht passt. Aus eigener Erfahrung sage ich: So einfach ist das nicht. Man hängt ja doch irgendwie an dem ganzen Brimborium mit Hereintragen der Parteiveteranen und so.

Lieber Papa Benedikt! Steck bloß nicht deine Rute ein. Denn Marx ist tot und Jesus lebt. Und kneife kräftig die Backen zusammen, denn ein geschlossenes System, das plötzlich aufmacht, kriegt Nebenluft. Und dann ist ganz rasch alles im …, vorbei.

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