Der ganz normale Klassenkampf

In der Schweiz wird mit fragwürdigen Beweisen ein Prozess geführt

  • Susann Witt-Stahl
  • Lesedauer: 2 Min.
Heute beginnt vor dem höchsten Gericht der Schweiz ein Strafprozess gegen ein Gründungsmitglied des »Revolutionären Aufbaus« und der »Roten Hilfe International«. Unterstützer der Angeklagten werfen den Ermittlern die Fälschung von Beweisen vor.

Die Parole des »Revolutionären Aufbaus Schweiz (RAS)« zur Eröffnung des Verfahrens gegen eine Genossin lautet: »Den Spieß umdrehen – dem Kapitalismus den Prozess machen!« Der vom Staat erzwungene Aufenthalt im Gerichtssaal solle ein »Teil des revolutionären Prozesses« werden, heißt es in einem Solidaritätsaufruf der seit 1992 existierenden marxistischen Organisation mit den Aktionsschwerpunkten Arbeitskämpfe, Antifa, politischer Widerstand, Frauenkampf und politische Gefangene.

Angeklagt ist Andrea Stauffacher, die Mitgründerin des RAS und der »Kommission für eine Rote Hilfe International (RHI)« ist und in der Vergangenheit mehrmals wegen Landfriedensbruch zu Haftstrafen verurteilt wurde. In Italien wurde 2007 ein Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gegen sie eröffnet. Nun soll sich die 61-jährige Kommunistin vor dem Strafgerichtshof in Bellinzona im Süden der Schweiz für fünf von mehr als 60 Anschlägen verantworten, die seit 1997 mit Farbe, Pyrotechnik und Brandsätzen verübt wurden.

Ziel waren Schweizer und internationale Unternehmen und staatliche Einrichtungen, das Weltwirtschaftsforum sowie Sicherheits-, Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden – darunter die Kantonspolizei Zürich und der Schweizer Inlandsgeheimdienst. Die Bekennerbriefe waren jeweils mit den Worten »Für eine revolutionäre Perspektive!« unterzeichnet. Diverse zwischen 2002 und 2004 verübte Anschläge auf spanische Institutionen wie das Generalkonsulat und das Fremdenverkehrsamt sollten zur Unterstützung des Hungerstreiks der politischen Gefangenen der Kommunistischen Partei Spaniens und ihres militanten Arms dienen, der »Gruppe des antifaschistischen Widerstands des 1. Oktober«.

Der RAS wirft der Bundesstaatsanwaltschaft vor, Beweise gefälscht zu haben. So wird Andrea Stauffacher zur Last gelegt, einen Drohbrief verfasst zu haben, der anlässlich eines Strafverfahrens gegen drei Anarchisten versendet worden war. Das auf Italienisch verfasste Schreiben enthalte Formulierungen und eine Unterschrift – »RAS Schweiz«, also mit einer Doppelung der Angabe »Schweiz« –, die von Mitgliedern des RAS niemals verwendet würden. »Derartige Provokationen gehören zum Tagesgeschäft der geheimdienstähnlich agierenden Staatsschutzorgane«, heißt es in einer Erklärung.

Andrea Stauffacher rechnet mit einer »politischen Schlammschlacht«. Dass demnächst auch in Belgien und Spanien Strafprozesse gegen andere RHI-Mitglieder eröffnet werden, sei kein Zufall. Sie wertet die Repressionswelle als »internationalen Schlag« des Kapitalismus in der Krise gegen die revolutionäre Linke. Kriminalisierungsversuche seien ebenso Teil »gesamtgesellschaftlicher, reaktionärer Entwicklungen« wie »der Angriff auf die Sozialversicherungen, Hetze gegen MigrantInnen und Arbeitslose, Kürzungen in der Bildung und im Gesundheitswesen und zunehmende Kriegstreiberei«. Der Druck auf Menschen, die sich aktiv gegen den Kapitalismus wenden, werde massiv erhöht, so ein Sprecher des RAS: »Das sind ganz normale Klassenauseinandersetzungen.«

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