Im Kampf vereint

»4 Tage im Mai« von Achim von Borries

  • Alexandra Exter
  • Lesedauer: 3 Min.

Angeblich ist es eine wahre Geschichte, die diese deutsch-russisch-ukrainische Koproduktion nacherzählt. Wenn dem so ist, dann ist sie eine Entdeckung. Ist sie es nicht, verliert »4 Tage im Mai« immens an Wert, dann wird der Film zum Märchen, zum utopischen Wunschtraum, zur wahrheitsfernen, schlicht nur behaupteten, zur politisch hochnotpeinlichen Parabel über Gut und Böse, das in allen Armeen steckt.

Aleksei Guskov beeindruckt als sowjetischer Hauptmann, der Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs, als alles längst entschieden und gewonnen ist, einen Spähtrupp auf eine deutsche Ostseeinsel führt, der die Vorhut bildet für die Rote Armee auf dem Weg nach Berlin. In dem hochherrschaftlichen Waisenhaus, das seine wenigen Männer und er dort beziehen, gibt es nur noch Frauen und Kinder. Am Strand dagegen warten ein paar versprengte deutsche Resttruppen bislang vergeblich auf rettende Boote aus Skandinavien. Alle sind des Kämpfens müde.

Nur Peter (Pavel Wenzel), ein dreizehnjähriger Rotschopf, Waise eines Wehrmachtsoffiziers, glaubt immer noch daran, dass sein Vater gerächt werden muss, die Russen besiegt, die deutsche Fahne in die Welt getragen. Was man ihm eben so vorgebetet hat, sein ganzes, kurzes Leben lang. Also betätigt er sich als Zwischenträger, informiert die Wehrmachtler am Strand über die mangelnde Truppenstärke der Sowjets im Schloss. Und versucht mit all' seinen Mitteln, den fast beendeten Krieg noch einmal aufflammen zu lassen. Wedelt mit einer Waffe herum, die er einem gefallenen Kindheitsfreund abnahm. Und bringt damit nur die anderen Waisen in Gefahr, zu denen ein paar heranwachsende Blondinen mit langen Zöpfen gehören, die man bei der ersten Nachricht vom Herannahen »der Russen« besser gleich geschoren und weggesperrt hätte. Denn was mit ihnen passieren würde, wenn die Befreier sie in die Hände kriegten, das weiß man schließlich zur Genüge.

Oder glaubt es zu wissen, denn wie der Film sich bald anschickt zu beweisen, war bei aller Verbitterung über die Verwüstungen der Wehrmacht in Russland noch lange nicht jeder Soldat der Roten Armee ein Vergewaltiger. Achim von Borries (»Was nützt die Liebe in Gedanken«) deutet nur an, was hier passieren könnte. Dann schwenkt er um auf das, was (angeblich) in Wirklichkeit passierte. Dass sich Russen Russen entgegenstellten nämlich, in einem Aufstand der Guten und Gerechten gegen die Rachsüchtigen (oder einfach nur Undisziplinierten) unter den Siegern. Ein Aufstand, der tödlich enden muss. Für die Russen, die die blonden Waisen gegen die Übermacht der eigenen Armee verteidigen. Und für die deutschen Truppen, die ihren Rest Anstand zusammenraffen, jeden Gedanken an Flucht aufgeben und mitkämpfen. Nicht aber für die Waisenkinder, denen jetzt die Boote offenstehen, die eigentlich die aufgeriebene Wehrmacht nach Skandinavien in Sicherheit bringen sollten.

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