Wildnis oder nur Holz?

Waldstrategie schwächelt beim Naturschutz

  • Benjamin Haerdle
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach langem Hin und Her hat die Bundesregierung endlich ihre überfällige Waldstrategie verabschiedet. Umweltverbände vermissen ein klares Bekenntnis zum Erhalt ursprünglicher Wälder.
Auf fast einem Drittel der Fläche Deutschlands, rund elf Millionen Hektar, wächst Wald. Bei mehr als zwei Millionen Waldbesitzern verwundert es deshalb nicht, dass die Diskussion darüber, wie in Zukunft die Wälder hierzulande aussehen sollten, sich enorm in die Länge zog. Seit 2008 zerbrachen sich Waldeigentümer, Vertreter der Forst-, Holz- und Energiewirtschaft, Politiker und Naturschützer darüber den Kopf. Nun hat das Bundeskabinett die Waldstrategie 2020 gerade noch rechtzeitig im Internationalen Jahr des Waldes verabschiedet. Sie hat, so formuliert es das Bundeslandwirtschaftsministerium, »eine ausgewogene und tragfähige Balance zwischen den steigenden und teilweise konkurrierenden Ansprüchen der Gesellschaft an den Wald und seiner nachhaltigen Leistungsfähigkeit zu finden«. Doch wie wirksam sie in der Praxis tatsächlich wird, hängt von den Politikern ab, denn gesetzliche Kraft hat das 32-seitige Dokument nicht.

Für neun Handlungsfelder – darunter Klimaschutz, Biodiversität und Jagd – sind in der Strategie Herausforderungen und Lösungsansätze beschrieben. Vor allem Naturschutzverbände sind mit dem Ergebnis unzufrieden. Für den BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger werde der Wald »zum Rohstofflieferanten herabgestuft«. Sollte die Holzernte wie geplant auf 100 Millionen Kubikmeter gesteigert werden, missachte das alle Grundsätze der Nachhaltigkeit. Das könnte die Holz- und Forstwirtschaft zum Nachteil bedrohter Tiere und Pflanzen weiter ankurbeln. Schwächen weist die Waldstrategie aus Naturschutzsicht aber auch auf, weil im Unterschied etwa zur Nationalen Biodiversitätsstrategie klare Zielvorgaben für den Naturschutz fehlen. »Die Strategie ist zu schwammig«, kritisiert NABU-Waldexperte Florian Schöne. Keine Erwähnung findet der Dauerstreitfall zwischen Naturschützern und Waldbesitzern, nämlich das Ziel, fünf Prozent des deutschen Waldes aus der Nutzung zu nehmen und sich selbst zu überlassen. Und auch die Buche bleibt in der Strategie außen vor, obwohl die UNESCO erst kürzlich fünf deutsche Buchenwälder zum Weltnaturerbe benannte. »Die Verantwortung für ein Viertel des weltweiten Buchenbestandes in Deutschland muss sich in konkreten politischen Bekenntnissen widerspiegeln«, fordert Schöne.
Stärkeren Applaus erhielt die Waldstrategie des Bundes dagegen von der Forstlobby: Der Deutsche Forstwirtschaftsrat beispielsweise nennt das Papier eine »zeitgemäße Antwort« auf die Herausforderungen von Energiewende, Klimawandel und Biodiversität. Sie sei mitnichten eine Holz- bzw. Rohstoffstrategie. Der Bund Deutscher Forstleute, Berufsverband für Forstwirte und Angestellte, teilte mit, der Vorsitzende Hans Jacobs freue sich über die Umsetzung vieler Forderungen der Forstleute.

Ein eigenes Förderprogramm, um die Waldstrategie 2020 umzusetzen, wird es aber nicht geben. Stattdessen solle auf bestehende und geplante Förderinstrumente wie zum Beispiel den Waldklimafonds zurückgegriffen werden, erklärte ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
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