Eurogruppe lässt Athen zappeln

Griechenland muss auf Auszahlung der nächsten Kredittranche warten

Die griechische Regierung zapft letzte Finanzreserven an, um bis zur erhofften Auszahlung der nächsten Kredittranche flüssig zu bleiben.

Nichts geht mehr, heißt es heute im griechischen Luftverkehr. Wegen eines 24-stündigen Streiks der Fluglotsen wird es keine Flüge von und nach Griechenland geben. Die wichtigsten Airlines wollen versuchen, möglichst viele betroffene Passagiere auf Flüge nach dem Ausstand umzubuchen. Auch Ministerien, Behörden und Schulen sollen heute nach Gewerkschaftsangaben geschlossen bleiben.

Der Streik ist Teil der Proteste gegen die massiven Sparprogramme der Regierung und richtet sich insbesondere gegen den geplanten Abbau von 30 000 Stellen im öffentlichen Dienst. Diese Maßnahme ist der Teil der Sparpakete, der Umfragen zufolge unter den Griechen mehrheitsfähig ist. Allerdings treffen die meisten Maßnahmen alle Griechen und zunehmend auch die Beschäftigten im Privatsektor, die unter erheblich schlechteren Bedingungen arbeiten als die Staatsangestellten. Nach Informationen aus dem Athener Arbeitsministerium fordern die Experten der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds bei ihrem aktuellen Besuch die Aushebelung des Mindestlohns von monatlich netto 548 Euro. Auf betrieblicher Ebene sollen Tarifabschlüsse unterhalb dieser Grenze möglich werden.

Die Troika fordert zusätzliche harte Maßnahmen bis zur Auszahlung der fälligen Tranche aus dem noch nicht ausgeschöpften 110-Milliarden-Euro-Kreditpaket von Mai 2010. Die griechische Regierung hatte zuvor erklärt, sie werde das Defizitziel für dieses Jahr verfehlen, da die Sparmaßnahmen die Wirtschaft stärker schrumpfen lassen als erwartet. Während es bislang hieß, die Regierung in Athen benötige die frischen Gelder dringend, um die regulären Ausgaben tätigen zu können, erklärte Finanzminister Evangelos Venizelos jetzt: »Bis Mitte November - das ist klar - gibt es kein Problem.« Dem Vernehmen nach zapft die Regierung ihre letzte Finanzquelle an - einen in der Finanzkrise 2008 gegründeten Bankenrettungsfonds.

Die Finanzminister der Euro-Gruppe verschoben bei ihrem Treffen am Dienstagabend in Luxemburg die Freigabe der Kredittranche. Statt Mitte Oktober soll die Entscheidung nun erst Ende des Monats fallen. Im Kreis der Euro-Finanzminister wird indes auch das zweite Sparpaket für Griechenland vorbereitet. Eine Einigung gab es hier in dem monatelangen Streit über ein von Finnland gefordertes Pfand: Das Land erhält zusätzliche Sicherheiten für etwaige neue Kredite, muss dann aber niedrigere Zinsen hinnehmen. Unklar blieb aber weiter, ob sich die privaten Gläubiger stärker als bisher geplant beteiligen sollen.

Derweil intensiviert in Deutschland die kleine Regierungspartei FDP ihre Planspiele bezüglich eines Insolvenzverfahrens für hochverschuldete Staaten. Wirtschaftsminister Philipp Rösler hat laut einem »FAZ«-Bericht grobe Eckpunkte erarbeiten lassen.

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