»Zurzeit keine endgültige Entscheidung«

Regierung stellt Abfallbergung aus Atommülllager Asse in Frage

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung will sich noch nicht festlegen, ob die radioaktiven Abfälle aus dem Atommülllager Asse tatsächlich geborgen werden.

Es gebe »noch offene Punkte, die die Realisierbarkeit schwieriger als geplant gestalten und sogar in Frage stellen könnten«, heißt es in einem »nd« vorliegenden internen Sachstandsbericht des Umweltministeriums (BMU) an Bundestagsabgeordnete. Als »grundlegende Unsicherheiten« für eine Rückholung des Atommülls nennt das Ministerium den Zustand der Einlagerungskammern und Abfallfässer sowie die Menge und Zusammensetzung des radioaktiven und chemischen Inventars.

Ungeklärt sei auch noch die »Möglichkeit zur Realisierung schnell wirksamer Notfall- und Vorsorgemaßnahmen«. »Aufgrund dieser nicht unerheblichen Unsicherheit hat sich das BMU dazu entschlossen, zurzeit keine endgültige Entscheidung für die Stilllegung der Schachtanlage Asse II zu treffen«, heißt es in dem Bericht.

Gleichzeitig erteilt das Umweltministerium Teillösungen bei der Rückholung des Atommülls eine Absage. Die Bergung der Abfälle erscheine aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse zwar als die beste Lösung, »jedoch ausschließlich dann, wenn ein Großteil der Abfälle herausgeholt werden kann«. Zuletzt hatten Fachleute die Rückholung nur der Fässer mit mittelradioaktivem Müll erwogen.

Seit einem Vergleich verschiedener Schließungsoptionen Anfang 2010 setzt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Betreiber der Asse auf die Bergung des Atommülls als beste Lösung zur sicheren Stilllegung des Bergwerks. Von dem Bericht des Bundesumweltministeriums hatte das BfS am Mittwoch nach Angaben eines Sprechers noch keine Kenntnis. »Dieser Text liegt uns bisher nicht vor«, sagte er.

Aufschluss über den Zustand des Atommülls will sich das BfS durch Probebohrungen in zwei der insgesamt 13 Einlagerungskammern verschaffen. »Bei planmäßigem Verlauf der Vorbereitungsarbeiten könnte das Anbohren der Einlagerungskammer 7 im Dezember 2011 erfolgen«, heißt es in dem BMU-Papier. In dem Hohlraum lagern 4200 Müllfässer.

Im vergangenen Herbst hatte das BfS als Betreiber der Asse die Bohrung beim Niedersächsischen Umweltministerium (NMU) beantragt. Ende April kam die Genehmigung, das Ministerium versah den Bescheid mit 32 umfassenden Auflagen. Diese Vorgaben hat das Bundesamt in einen Arbeitsplan mit 850 Teilschritten umgesetzt. Beschäftigte haben vor Kammer 7 inzwischen dekontaminierbare Bodenplatten verlegt. Für den Strahlenschutz und Radioaktrivitätskontrollen der Abluft wurden Messgeräte aufgestellt.

Die atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, sagte dem ND, BMU und NMU seien »in der Pflicht, den Prozess der Rückholung zu beschleunigen, ohne dass dies zulasten des Schutzniveaus geschieht. Sie müssen prüfen, wo man unnötige Bürokratie abbauen und unsinnige Verzögerungen vermeiden kann.« Zur Vorbereitung einer möglichen Bergung will das BfS über dem Bergwerk auch einen neuen Schacht sowie ein oberirdisches Zwischenlager bauen. Derzeit verfügt das ehemalige Salzbergwerk nur über einen einzigen vollwertigen Schacht - den Schacht II. Daneben gibt es nur noch einen schmalen Notschacht. Bei einer Bergung radioaktiver Abfälle müssten nach jetzigem Stand der Abfall, das Personal und die Atemluft für die Bergleute über denselben Schacht transportiert werden.

Insgesamt wurden zwischen 1967 und 1978 rund 126 000 Fässer mit schwach und mittelradioaktivem Atommüll in das ehemalige Salzbergwerk Asse II gebracht. Der größte Teil der Abfälle stammt aus deutschen Atomkraftwerken. Seit 1988 dringen täglich rund 12 000 Liter salziges Grundwasser in das Bergwerk ein. Experten gehen davon aus, dass die Stabilität des Grubengebäudes nur noch bis 2020 gewährleistet ist. Die Nachbarschächte Asse I und Asse III waren schon früher voll Wasser gelaufen.

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