Krypto-Nazi im Schweriner Schloss

Erwin Sellering (SPD) gewinnt Ministerpräsidentenwahl deutlich gegen Udo Pastörs (NPD)

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 2 Min.
SPD-Politiker Erwin Sellering bleibt Regierungschef im Nordosten. Sein Gegenkandidat Udo Pastörs bekommt eine Stimme mehr als die NPD Mandate hat.

Erwin Sellering kann derzeit vor Kraft kaum laufen. Nach einem überzeugenden Wahlergebnis und flotten Koalitionsverhandlungen mit einer offenbar wachsweichen CDU wurde der SPD-Politiker am Dienstagnachmittag zum Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern wiedergewählt. 42 Mitglieder des Landtags stimmten mit Ja. Trotz zweier »fehlender« Stimmen steht die breite Mehrheit einer Großen Koalition hinter Sellering. Bemerkenswerter ist, dass NPD-Fraktionschef Udo Pastörs, der als Gegenkandidat angetreten war, bei der Abstimmung sechs Stimmen erhielt, während die NPD nur fünf Sitze bekleidet; im Schweriner Schloss gibt es demnach einen Krypto-Nazi unter den »demokratischen« Abgeordneten.

Sellerings Selbstbewusstsein tat der kleine Misston aber keinen Abbruch: Da müsse sich jemand geirrt haben, meinte er. Schon der SPD-Parteitag am vergangenen Wochenende, der den Parteichef Sellering bejubelte und sein Regierungsmenü ohne große Nachfragen abnickte, war ein Triumphzug für den 1949 im westfälischen Sprockhövel geborenen Juristen. In einer für Nordost-Verhältnisse seltenen Frequenz drängt der Schweriner Regierungschef in den letzten Tagen auf die Bundesbühne: Er sei der erste Ost-Regierungschef, der bereits jetzt ohne den auslaufenden Solizuschlag plane! Die Bundeskanzlerin müsse dem Beispiel folgen und ihren Widerstand gegen den Mindestlohn einstellen! Und für Steuersenkungen sei jetzt »in Deutschland kein Spielraum«.

Spricht so ein Mann, dem es in Schwerin noch zu eng werden könnte auf seine reiferen Tage? Nicht alle, die am Dienstag der Wahl beiwohnten, sind sich sicher, dass der Gewählte auch eine ganze Regierungsperiode lang bleibt. Sollte Sellering doch noch nach Berlin wollen, müsste der 62-Jährige freilich schon die nächste Ausfahrt nehmen - im Jahr 2013. Er hätte dann immerhin zwei halbe Regierungszeiten und eine gewonnene Wahl vorzuweisen. Und zum Beispiel die Idee eines »Ministeriums« für erneuerbare Energien: Die Zusammenfassung aller diesbezüglichen Kompetenzen beim Verkehrs- und Infrastrukturminister Volker Schlotmann (SPD) ist sicherlich die größte Innovation in Sellerings neuem Kabinett und könnte einen Ruf als Energieexperte begründen.

Einstweilen liegen nun fünf Jahre Landespolitik vor Sellering - für die er um höheren Beistand nachsuchte. Den Amtseid legte er mit dem Zusatz »So wahr mir Gott helfe« ab.

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