Samba in Freiburg

Ende 2010 beschlagnahmte Protest-Trommeln sind jetzt wieder im Einsatz

  • Michael Scheuermann, Freiburg
  • Lesedauer: 4 Min.
In Freiburg wurde eine offenbar unrechtmäßige Beschlagnahmeaktion der örtlichen Polizei erst nach zehn Monaten revidiert. Dabei hatte sich der von den Grünen dominierte Stadtrat für die Herausgabe der nach einer Protestaktion konfiszierten Instrumente eingesetzt. Doch das grüne Stadtoberhaupt reagierte nicht.
Nach Herausgabe der Trommeln: ein Ständchen vor der Beschlagnahmebehörde
Nach Herausgabe der Trommeln: ein Ständchen vor der Beschlagnahmebehörde

Mit Siegerlächeln trugen Anfang der Woche die Mitglieder der Samba-Trommelgruppe Sambasta ihre vor fast elf Monaten beschlagnahmten 13 Instrumente aus dem Freiburger Ordnungsamt. Dort waren sie nach einer Protestaktion zum deutsch-französischen Gipfeltreffen in Freiburg im Dezember 2010 eingelagert worden. Die Polizei hatte die Aktion mit Einkesselung, Einzelabführung und Stadtverweisen unterbunden. Begründung für die Beschlagnahme der Instrumente: Körperverletzung durch Lärm.

Für die Rückgabe verlangte die Stadt Freiburg zunächst 50 Euro Kaution je Instrument zur Absicherung einer zu erwartenden Kostenforderung für den Polizeieinsatz und die Instrumentenlagerung. Erst nachdem die Stadt in einem anderen Beschlagnahmefall - es ging um vier Obdachlosenwohnwagen - beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim im Oktober formalrechtlich unterlag, war sie bereit, die Instrumente der Trommelgruppe bedingungslos herauszugeben.

Entscheidung steht aus

Gebührenforderungen gegenüber Sambasta seien damit »hinfällig« und der Fall »für die Stadt komplett beendet«, betonte ein Pressesprecher am Mittwoch. Wie zuvor im Wohnwagenurteil vom Verwaltungsgerichtshof bemängelt, habe auch zum Zeitpunkt der Instrumentenbeschlagnahme statt einer erforderlichen schriftlichen Verwaltungsanordnung nur eine mündliche vorgelegen. In der Sache selbst, so der Sprecher, stehe eine gerichtliche Entscheidung in beiden Fällen noch aus.

»Dass so was elf Monate lang möglich ist, ist Behördenwillkür«, schüttelt Sambasta-Spieler Henning Liebeck den Kopf. Das Ordnungsamt habe immer wieder Gespräche »platzen lassen und angedroht«, auch in Zukunft die Instrumente zu beschlagnahmen, wenn »weiterhin auf unangemeldeten Demonstrationen gespielt« werde.

Unangemeldete Demonstrationen sind Ordnungsamt und Ordnungshütern in Freiburg schon lange ein Dorn im Auge. »Nirgendwo in Deutschland finden unangemeldete Demonstrationen statt, außer in Freiburg«, kommentierte noch im März ein Polizeisprecher.

Die Forderung der Sambastas auf bedingungslose Herausgabe war von rund 40 Prozent der Stadträte unterstützt worden. Die Gruppe habe sich »für eine politisch außergerichtliche Lösung engagiert«, doch bei der Stadt kein Gehör gefunden, beklagt Sambasta-Anwältin Katja Barth. Bei der mittlerweile eingeleiteten Klage sollte deshalb nicht nur die Instrumentenherausgabe geklärt werden, sondern auch die Zulässigkeit von Trommeln und Trillerpfeifen auf Kundgebungen. Hier habe der Schutz der Versammlungsfreiheit gegenüber dem Lärmschutz Vorrang. Eine allgemeingültige »höchstrichterliche Entscheidung« gebe es dazu jedoch bisher nicht, erklärt Barth. Aber auch unangemeldete Demonstrationen genössen Versammlungsschutz.

Bereits im Juni hatte die Staatsanwaltschaft Freiburg ein von Polizeiseite angestrebtes Verfahren gegen Sambasta wegen Körperverletzung durch Lärm abgewiesen. Es gebe keinen medizinischen Befund einer Gehörverletzung und vorsätzliches Verhalten könne nicht nachgewiesen werden. Trommeln auf Demonstrationen sei als »sozialadäquate Belastung« hinzunehmen.

Brief an der OB

In einem Briefwechsel eines Sambasta-Mitglieds mit Jürgen Trittin betonte der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Juli, dass »bunte, kreative, auch lautstarke Formen des friedlichen Protestes selbstverständlich unter den Schutz der Demonstrationsfreiheit fallen«. Sie seien nicht nur »gute Tradition, sondern oft das Salz in der Suppe von Protesten«. Die Güterabwägung zwischen Lärmschutz und Demonstrationsfreiheit habe hier zu einer »überzogenen« Entscheidung und Gebührenforderung der Stadt geführt. Die Gemeinderatsfraktion Junges Freiburg/Die Grünen würde das Anliegen der Sambastas unterstützen.

Tatsächlich hatten neun der 13 Fraktionsmitglieder schon am 17. Februar in einem Brief an ihren grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon sowie den für die öffentliche Ordnung zuständigen Bürgermeister Otto Neideck (CDU) und Ordnungsamtschef Walter Rubsamen (SPD) »kein Verständnis« für die Instrumenten-Beschlagnahme gezeigt und auf bedingungslose Rückgabe gedrängt. Vier Monate später mussten sich die Parteigrünen auf einer Mitgliedsversammlung eingestehen, nur geringen Einfluss ihren grünen Oberbürgermeister zu haben, erinnert sich Trommler Liebeck.

Man habe das Ordnungsamt erst auf die Parallelen zur Wohnwagengerichtsentscheidung hinweisen müssen, sagt Rechtsanwältin Barth. Bis zur Instrumentenfreigabe seien dann noch einmal zwei Wochen vergangen. Weil dabei auch Polizeirecht zu berücksichtigen gewesen sei, hätten »die Mühlen des Rechtsamts ein bisschen länger gemahlen«, bedauerte der Stadtsprecher.

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