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Hauptschule wird Nebensache

CDU-Bundesparteitag beschließt Bildungskonzept / Streit um Veränderungen im gegliederten Schulsystem

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die CDU geht auf Distanz zur Hauptschule. Das ist nicht zuletzt dem Rückgang der Schülerzahlen geschuldet. Während einige unionsgeführte Länder aber Fakten schaffen, gibt es im Südwesten weiterhin Widerstand.

Zwei Schritte vor, anderthalb zurück: Die CDU ist bei ihrem Bundesparteitag in Leipzig auf Distanz zur Hauptschule gegangen, aber vorsichtiger als geplant. In einem Beschluss zur »Bildungsrepublik Deutschland« wird eine »attraktive Schulform« neben dem Gymnasium gelobt, in der unter dem Name »Oberschule« die Haupt- und Realschulen aufgehen sollen und die sich als »sehr leistungsfähig« erwiesen habe. Bundesbildungsministerin Annette Schavan sieht in dieser Schule eine Antwort auf den erwarteten Rückgang der Schülerzahlen um 1,3 Millionen bis 2020. Sie bekannte sich zum »klaren Ziel des Zweiwege-Modells«, beteuerte aber, es gehe »genau nicht um eine Einheitsschule«.

Die Klarstellung schien nötig, weil es in der Partei bis zuletzt erbitterten Gegenwind gab. Von den 1600 Änderungsanträgen zu dem 40 Seiten starken Bildungspapier befassten sich allein 61 mit dieser Frage; auf fünf eigens anberaumten Regionalkonferenzen wurde leidenschaftlich gestritten. Die ursprüngliche Formulierung im Antrag, wonach die CDU für eine Reduzierung der Schulformen und die Oberschule »eintreten« wolle, wurde deutlich verwässert.

Anlass dafür war starker Widerstand vor allem aus dem Südwesten. Während Schavan sagte, die Hauptschule werde nur noch von zwei Prozent der Eltern gewählt, bezifferte Christean Wagner, der Fraktionschef in Hessen, den jährlichen Anteil der Hauptschulabschlüsse auf 20 Prozent. Er räumte zwar »Akzeptanzprobleme« ein, betonte aber, die Länder kümmerten sich selbst um Reformen. Peter Hauk, sein Amtskollege aus Baden-Württemberg, warnte vor der schleichenden Abkehr vom gegliederten Schulsystem: »Dreiwege-Modell, Zweiwege-Modell - am Ende stehen wir beim Einwege-Modell«. Das Festhalten an der Differenzierung sei für die CDU eine »Grundsatzfrage«.

Allerdings geht der Riss in dieser Frage mitten durch die Partei. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister sprach sich in einem flammenden Plädoyer für die Oberschule aus, die helfe, Schulschließungen zu vermeiden, und ein »passgenaues Angebot für den ländlichen Raum« sei. In Niedersachsen gebe es bereits 132 Oberschulen, die teils sogar gymnasiale Angebote bis Klasse 10 bieten. Ob das Schulsystem zwei-, drei- oder viergliedrig sei, sei »sekundär«; es gehe vor allem um Qualität und Inhalte. McAllister räumte allerdings ein, dass sich die CDU mit diesem Modell auf die Konzepte von SPD, Grünen und LINKEN zubewegt. Er verlangte von diesen im Gegenzug Zugeständnisse: »Finger weg vom Gymnasium, sonst gibt es Ärger!«

Schmackhaft gemacht wurde den Delegierten das zweigliedrige Modell unter Verweis auf Sachsen und Thüringen, wo es seit 1990 neben Gymnasien nur eine zweite Schulform gibt, welche Real- und Hauptschulabschluss bietet. Letzteren abzuschaffen, habe nie zur Debatte gestanden, sagte Sachsens Kultusminister Roland Wöller, ein Mitautor der Beschlussvorlage, den Kritikern: »Wir haben uns da an der falschen Stelle verkämpft.«

Weit weniger umstritten waren weitere bildungspolitische Forderungen, so zur frühkindlichen Bildung. Dort plädiert die CDU für ein verpflichtendes und beitragsfreies letztes Kita-Jahr. Widerstand hatte es in diesem Punkt aber unter anderem aus Brandenburg und Hessen gegeben, wo man die Wahlfreiheit der Eltern gefährdet sah.

Als Instrument, diese zu stärken, hatte Bundesvorsitzende Angela Merkel am Tag zuvor das Betreuungsgeld verteidigt, auf das sich die Koalition unlängst geeinigt hatte. Allerdings stieß dieses nicht auf die erhoffte Zustimmung der Delegierten. Der Parteitag wies das Konzept zur erneuten Beratung an die Bundestagsfraktion zurück.

Ebenfalls am Montag hatte der CDU-Parteitag einen »Mindestlohn light« beschlossen. Die Partei plädiert dabei für Lohnuntergrenzen, die jedoch nach Branchen und Regionen differieren können. Zudem wurden Beschlüsse zur Europapolitik gefasst. Die CDU tritt, anders als die FDP, für eine Finanztransaktionssteuer ein und will Kompetenzen in Europa stärken. So sollen Verstöße gegen den Stabilitätspakt geahndet werden; auch einen EU-»Sparkommissar« kann sich die CDU vorstellen.

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