nd-aktuell.de / 18.11.2011 / Politik / Seite 8

BrĂ¼sseler Spitzen

EU muss Position beziehen

Franziska Brantner
Die Autorin ist außenpolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament.
Die Autorin ist außenpolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament.

Die politische Auseinandersetzung über die Besatzungspolitik Israels im Westjordanland hat eine neue Dimension erreicht. Palästinenser in den besetzten Gebieten, auch arabische Israelis, Menschenrechtsorganisationen und die Friedensbewegung in Israel sind immer mehr gewalttätigen Angriffen radikaler Siedler und rechter Extremisten ausgesetzt. Hinzu kommen politische Angriffe aus der Knesset. Im Interesse gemeinsamer Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen sich die EU und Israel dafür einsetzen, dass Meinungsfreiheit gewahrt wird, Gewalt und Einschüchterung keinen Platz in der politischen Auseinandersetzung in Israel haben.

Auge um Auge, Zahn um Zahn - nach dieser alttestamentarischen Logik geht die »Price Tag«-Bewegung extremistischer Siedler vor. Für jede durch die Armee geräumte illegale jüdische Siedlung in der Westbank, für jeden Angriff auf jüdische Siedler soll ein Preis bezahlt werden. Diese Racheaktionen führten in den letzten Monaten zu immer häufigeren Angriffen auf arabische Einrichtungen in Israel und der Westbank. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen hat die Gewalt von Siedlern in der Westbank gegenüber Palästinensern 2011 um 40 Prozent zugenommen. In Israel selbst wurden allein im Oktober zwei Brandanschläge auf eine Moschee und ein arabisches Restaurant verübt und zwei muslimische Friedhöfe geschändet. Doch längst sind auch israelische Friedens- und Menschenrechtsorganisationen zum Ziel der »Price Tag«-Angriffe geworden. Am 6. und 7. November wurden gegen das Jerusalem-Büro der Organisation Peace Now, die sich für Verständigung und Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern einsetzt, eine Bombendrohung ausgesprochen und ein Anschlag auf die Wohnung von Hagit Ofran, eine leitende Mitarbeiterin von Peace Now, verübt.

Diese feigen Attacken sind ein schwerer Angriff auf die Menschenrechte und die Demokratie in Israel. Und sie haben eine Vorgeschichte: Seit Jahren betreiben rechte Organisationen wie der »NGO-Monitor« Kampagnen mit dem Vorwurf, israelische Menschenrechtsorganisationen seien vom Ausland gesteuert. Das dadurch entstandene Klima der Angst und Einschüchterung hat dazu beigetragen, diese Attacken möglich zu machen.

Doch damit nicht genug. Seit mehr als einem Jahr werden regelmäßig Gesetzesvorschläge in die Knesset eingebracht, die die Arbeit insbesondere von Friedens- und Menschenrechtsorganisationen erschweren sollen. Zwei aktuelle Vorhaben sehen vor, jegliche Unterstützung israelischer NGOs durch ausländische staatliche Gelder auf 4000 Euro pro Jahr zu beschränken und mit einer Sondersteuer von 45 Prozent zu belegen. Begründet werden diese zum Teil von Ministerpräsident Netanjahu und mehreren Regierungsmitgliedern unterstützten Anträge mit dem Ziel, die Unterstützung der EU und der Vereinten Nationen für israelische NGOs zu beschränken, da dies eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Israels darstelle.

Das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Israel begründet eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Basis gemeinsamer Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit. Die aktuellen Entwicklungen in Israel und den besetzten Gebieten müssen uns daher mit tiefer Sorge erfüllen. Die europäische Außenbeauftragte Catherine Ashton und alle EU-Vertreter müssen sich jetzt bei der israelischen Regierung dafür einsetzen, dass diese Auswüchse von Gewalt und Einschüchterung entschlossen bekämpft, die Betroffenen geschützt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Die Arbeit von Menschenrechts- und Friedensorganisationen darf in keiner Weise eingeschränkt werden.