Kabila mit guten Chancen auf Wiederwahl

Unsicherheit und Gewalt überschatten Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Demokratischen Republik Kongo

  • Kristin Palitza, Kinshasa
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Demokratische Republik Kongo wird am Montag zum zweiten Mal demokratisch wählen. Doch Vorwürfe der Wahlmanipulation, die Unterdrückung von Protesten, Gewalt und der Mord an einem Oppositionskandidaten hängen wie dicke Gewitterwolken am Horizont.

Die Wahllogistik in Kongo, einem Land der Größe Westeuropas, ist kompliziert. Unterlagen müssen an 210 Distributionszentren verteilt und von dort aus zu 64 000 Wahllokalen transportiert werden, oft mit Hilfe von Flugzeugen oder Hubschraubern. Kongos Wahlkommission und die UN-Friedensmission behaupten jedoch, die Organisation sei unter Kontrolle. Wenn sie richtig liegen, werden sich die Kongolesen am Montag durch einen Wahlzettel arbeiten, der mit 18 500 Kandidaten, die um die 500 Sitze der Nationalversammlung kämpfen, eher einem dünnen Katalog gleicht.

Die Präsidentschaftswahl ist übersichtlicher. Es gibt elf Kandidaten, darunter Präsident Joseph Kabila, von denen lediglich drei reelle Chancen gegen den Amtsinhaber haben: der 79-jährige Oppositionsveteran Etienne Tshisekedi, der frühere Premierminister Leon Kengo wa Dondo und der ehemalige Präsident der Nationalversammlung Vital Kamerhe.

Vorausgesagt wird ein knappes Rennen zwischen Kabila und Tshisekedi. Obwohl die Opposition zerstritten ist und der alternde Tshisekedi unter schwerwiegenden Gesundheitsproblemen leidet, spürt man unter Kongolesen zunehmende Unzufriedenheit über den 40-jährigen Kabila, der dem Land zwar relative Stabilität gebracht hat, nicht aber dringend notwendige Sozialleistungen.

Kabila hat in seiner ersten Amtsperiode kaum Fortschritte in seinen »cinque chantiers« gemacht, den fünf Säulen seiner Regierung: Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Wasser und Elektrizität sowie Arbeitsplätze. Obgleich Kongos Staatshaushalt von einer Milliarde Dollar im Jahre 2003 auf jetzt sieben Milliarden wuchs, hat sich für die Einwohner des Landes nur wenig verändert. Trotz eines enormen Rohstoffreichtums bleibt Kongo eines der ärmsten Länder der Welt. Fast 80 Prozent der Bevölkerung müssen sich mit zwei Dollar pro Tag durchschlagen.

Obwohl der Großteil des Entwicklungsbudgets in die Hauptstadt Kinshasa gepumpt wird, ist auch hier kaum ein Aufschwung zu sehen. Zwar verläuft nun eine vierspurige Prachtstraße durch das Zentrum der Stadt. Doch die Einwohner müssen ohne geregelte Müllabfuhr, mit regelmäßigen Stromausfällen und Wasserknappheit leben. Die Nahrungsmittelpreise sind in die Höhe geschossen, Mangelernährung nimmt zu, Gesundheits- und Schulsystem sind in beklagenswertem Zustand. Die Jugendarbeitslosigkeit wird auf erschreckende 40 Prozent geschätzt.

So könnte Kabila die Stimmen von Millionen junger Kongolesen verlieren, einst seine leidenschaftlichen Befürworter. »Es ist so gut wie unmöglich, Arbeit zu finden. Selbst mit einem guten Schulabschluss gibt es keine Jobs. Wer kann, verlässt das Land«, klagt Lenny Izapango, eine 18-jährige Abiturientin aus Kinshasa. Trotzdem stehen Kabilas Chancen auf eine Wiederwahl gut. Denn in Kongo, wo für Jahrzehnte ein blutiger Bürgerkrieg wütete, der mehr als vier Millionen Menschen das Leben kostete, hat für viele Menschen Frieden Vorrang vor Sozialleistungen. »Sicherheit zählt mehr als Arbeitsplätze oder Gesundheitsversorgung. Viele werden aus Angst vor neuer Gewalt Kabila wählen«, glaubt Kakule Molo, ein desillusionierter Parlamentarier aus Kinshasa.

Auch hat der Präsident gesetzlich vorgesorgt. Zu Beginn des Jahres setzte er ein Wahlgesetz durch, das statt zweier nur noch eine Wahlrunde vorsieht. Auf diese Weise will Kabila ausschließen, dass sich Oppositionskandidaten in einer zweiten Runde gegen ihn verbünden, indem sie ihre Stimmen zusammenlegen.

Wegen der Gesetzesänderung wuchs das Risiko, dass die Opposition das Ergebnis nicht anerkennen wird, sollte Kabila gewinnen. Die Gefahr gewaltsamer Ausschreitungen ist groß. »Es könnte gut sein, dass die Opposition zu Demonstrationen aufruft«, befürchtet Dr. Jean-Luc Kuye-Ndondo, einer der 108 Senatoren des Landes. In einer Zehn-Millionen-Stadt wie Kinshasa haben derartige Proteste enormes Gewicht - und hohes Potenzial, blutig zu enden.

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