Das BKA und der Paragraf 129

Innenministerkonferenz: Streit um NPD-Verbot - ist eigenes Versagen auch Thema?

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die deutschen Innenminister sind uneins in Sachen NPD-Verbot. Ob sie auf ihrer zweitägigen Konferenz in Wiesbaden zu einer substanziellen Lösung kommen, ist ungewiss.

Die Innenminister von Bund und Ländern wollen sich offenbar auf ein neues NPD-Verbotsverfahren verständigen. Auf ihrer Konferenz am Donnerstag und Freitag in Wiesbaden soll es dazu wahrscheinlich einen Beschluss geben, melden die Agenturen. Zu Beginn der Konferenz sah es nicht so aus, als ob dieser Beschluss inhaltlich viel hergibt. Zu unterschiedlich sind die Ansichten über einen erneuten Anlauf zum Verbot der rechtsextremen Partei.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bleibt bei seiner Warnung vor »Schnellschüssen«. Boris Rhein (CDU), Hessens Innenminister und aktuell Chef der Innenministerkonferenz, will erst einmal Fakten sammeln und »nichts übers Knie brechen«. Minister Markus Ulbig (CDU) aus Dresden bezeichnet ein zügiges NPD-Verbot als Gebot der Stunde. Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Saarlands Ministerpräsidentin warnt vor einem voreiligen Verbotsverfahren, das der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) fordert. Senator Michael Neumann (SPD) aus Hamburg schiebt die Verantwortung ausschließlich dem Bund zu, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verlangt von seinen Amtskollegen Geschlossenheit, damit man alles unternehmen kann, damit »im nächsten Jahr ein solches Verfahren starten kann«.

Das alles schaut so aus, als ob die Innenminister sich so persönlich wie ausführlich mit dem Für und Wider befassen würden. Doch bei einer 40-Punkte-Tagesordnung, in der die NPD sowie die Aufklärung und Bekämpfung rechtsextremistischen Terrors nur unter anderem vorkommen, kann der Austausch in der Ministerrunde so umfangreich nicht sein. Folglich warten der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, und andere vermutlich vergeblich auf »ein starkes Signal, dass die NPD als legaler Arm einer rassistischen und antidemokratischen rechten Bewegung mit ihrer aggressiv kämpferischen Vorgehensweise in diesem Rechtsstaat nicht länger geduldet wird«.

Auch die Minister warten dringend auf - möglichst belast- und brauchbare - Ermittlungsergebnisse zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und der »Zwickauer Zelle«. Dazu gehören Antworten auf die Frage, wieso das Mördertrio zwölf Jahre lang unentdeckt seinen Hass ausleben konnte. Bislang sagt das Bundeskriminalamt (BKA) dazu: Erstens handelten die Terroristen »grausam professionell und überlegt« und hatten ein Unterstützernetzwerk. Ja und? Das trifft auf Terroristen allgemein zu.

Zweitens arbeiteten die Fahnder in den Ländern ob föderaler Strukturen und Zuständigkeiten nicht koordiniert genug, weshalb man jetzt neue Strukturen der Zusammenarbeit - beispielsweise ein Gemeinsames Abwehrzentrum rechts (GAT-R) und entsprechende Dateien - schaffen will.

Das alles klingt so, als hätte das BKA erst jetzt, da der Generalbundesanwalt den Fall an sich gezogen hat, etwas mit Ermittlungen zu den Morden und den Banküberfällen zu tun. Doch das stimmt nicht. So wie es die Zentralstellenfunktion des BKA gebietet, waren die Bundeskriminalpolizisten frühzeitig in die Recherchen einbezogen. Seit dem 9. September 2000, dem Beginn der Tatserie, hat man zunächst vor allem kriminaltechnische Hilfe geleistet. Mehr noch: Es ist belegbar, dass sich das Bayerische Staatsministerium des Innern und die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth im Sommer 2004 hilfesuchend an das BKA gewandt haben. Bis dahin hatten die Nazi-Terroristen sechs ihrer vermutlich zehn Mordtaten begangen.

Man ermittelte damals bereits unter dem Gesichtspunkt des Paragrafen 129 Strafgesetzbuch. Der hat die Bildung krimineller Vereinigungen zum Inhalt. Was bedeutet, dass die Ermittler längst nicht mehr an die Einzeltäterschaft glaubten.

Das BKA setzte ein zwölfköpfiges Ermittlungsteam der Abteilung Organisierte und allgemeine Kriminalität auf den Fall an. Dazu kamen zeitweise über 60 Kriminaltechniker. Offenbar hatte man zumindest ab Mitte 2004 die Brisanz der Mordtaten begriffen. Auf politischer Bundesebene. Denn auch die Bundesregierung - so geht aus einer Antwort des Innenressort-Staatssekretärs Ole Schröder (CDU) auf eine Frage der Linksfraktion hervor - hatte Informationen zu dem Fall auf dem Tisch. Die Mordserie war zudem Gegenstand von »umfassenden Erörterungen« in den polizeilichen Gremien sowie im Arbeitskreis II (Innere Sicherheit) der Innenministerkonferenz.

Ob die gerade in Wiesbaden tagende Innenministerkonferenz auch über eigene Versäumnisse debattiert, ist nicht bekannt.

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