»Arme Engländer, reiche Schotten«

Johann Lamont neue Labour-Chefin in Edinburgh

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Die 54-jährige ehemalige Lehrerin Johann Lamont wurde am Samstag zur Oppositionsführerin im Edinburgher Parlament und gleichzeitig zur schottischen Labour-Chefin gewählt. Mit 51 Prozent der Stimmen gewann sie gegen ihre Rivalen Ken Macintosh und Tom Harris.
Johann Lamont
Johann Lamont

Johann Lamont will Schottland verändern - durch Veränderungen in ihrer Partei. Sie will Labours verlorengegangene Stammwähler und auch neue Unterstützer überzeugen und den Eindruck korrigieren, die Partei sei »eine müde gewordene Maschine, die mehr mit sich selbst als mit den Schotten beschäftigt« sei. Das ist auch nötig, denn Labour - fast 50 Jahre lang die führende Partei nördlich des Tweed - hat im Mai 2011 die schottische Parlamentswahl gegen die Nationalisten haushoch verloren und liegt zur Zeit mit nur 26 Prozent in den Umfragen gegenüber 51 Prozent des selbstbewussten Regionalpremiers Alex Salmond deutlich zurück.

Damit haben drei schottische Oppositionsparteien in diesem Jahr ihre Führer ausgewechselt. Die Konservativen wählten ebenfalls eine Frau, die junge Fernsehjournalistin Ruth Davidson, die Liberalen den früheren Abgeordneten Willie Rennie - sicher ein Beweis für die Dominanz der Nationalisten auf der Edinburgher Bühne. Salmond will in zwei Jahren eine Volksabstimmung gewinnen und die Teilung Britanniens durchsetzen. Mit dem Steueraufkommen aus dem Nordseeöl und der Whisky-Industrie im Rücken möchte er England den Laufpass geben. Dann könnte der Nationalistenslogan früherer Generationen »Arme Engländer und reiche Schotten« , eine Umkehr des traditionellen Wohlstandsgefälles, endlich in Erfüllung gehen.

Das würde gleichzeitig bedeuten, dass die mehrheitlich konservativ gesinnten Engländer nie wieder eine Labour-Mehrheit bekämen. Denn bisher konnte Labour im Londoner Parlament auf 40 bis 50 Abgeordnete aus schottischen Wahlkreisen zählen, darunter den früheren Premier Gordon Brown; diese wären aber nach der Trennung von England arbeitslos. Dagegen würde David Cameron nur einen gewählten Parteifreund aus Schottland verlieren, den obskuren Hinterbänkler David Mundell. Obwohl seine Partei sich jahrelang »Conservative and Unionist« nannte, also den Status quo mit England, Schottland, Wales und Nordirland im Vereinigten Königreich betonte, hat Cameron durchaus ein Interesse an der Teilung des Landes.

Nach dem missglückten britischen Veto beim Brüsseler Gipfel meldete sich Salmond schnell, als hätte ihm der Euro-Kritiker in der Downing Street den Ball zugespielt. Cameron habe schottischen Interessen in Europa schwer geschadet, behauptete er schlau. Arbeitsplätze von der Finanzindustrie bis zur Fischerei würden die Tories durch die Selbstisolierung aufs Spiel setzen.

Salmond ist bisher schlagfertiger als alle schottischen Rivalen, setzt seine Volksabstimmung zur staatlichen Trennung brachial durch, gibt sich auch im Zweifel links: So behauptet er, die britische Atom-U-Boote aus ihren schottischen Stützpunkten verbannen zu wollen. Das entspringt aber vor allem der Erkenntnis, dass die meisten seiner Landsleute eher mit linken als rechten Parolen einzufangen sind.

Angriffe auf Cameron, wie auf dessen Labour-Vorgänger Brown, sind als Taktik zu bewerten, von Klasseninteressen und -kämpfen will Salmond nichts wissen. Dass eine Teilung Britanniens Schottland isolieren könnte, erwähnt der Demagoge mit keinem Wort. Schon heute würden 32 Prozent seiner Landsleute für die Unabhängigkeit stimmen, nach weiteren zwei Jahren Wirtschaftskrise und Sozialkürzungen durch die Tories dürfte sich diese Zahl erhöhen. Da haben Lamont, Davidson und Rennie alle Hände voll zu tun, damit Salmond nicht den Triumph seines Lebens feiern kann.

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