nd-aktuell.de / 21.12.2011 / Ratgeber / Seite 22

Bei Vertrauensverlust ist der Vertrag fristlos kündbar

BGH-Urteil zum Pflegedienst

Wenn Pflegebedürftige ihrem Pflegedienst nicht mehr vertrauen und über einen Vertragswechsel nachdenken, haben sie nach einem neuen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe jetzt ein fristloses Kündigungsrecht ohne Angabe eines wichtigen Grundes.

»Eine solche Entscheidung sollte man nicht vorschnell fällen, um mögliche Versorgungslücken zu vermeiden«, warnt jedoch Dunja Neukamp von der Verbraucherzentrale Brandenburg.

Der Vorfall: Nach einem schweren Sturz konnte Frau W. aus Erkner bei Berlin nicht mehr selbst für sich sorgen und war auf fremde Hilfe angewiesen. Deshalb beauftragte sie einen ambulanten Pflegedienst in ihrer Nähe. Doch Pflege ist Vertrauenssache - und als die alte Dame spürte, dass ihr die Pflegekräfte immer weniger Zeit und Zuwendung schenkten, dachte sie über einen Wechsel zum anderen Pflegedienst nach.

Pflegebedürftige haben unter solchen Umständen ein fristloses Kündigungsrecht ohne Angabe eines wichtigen Grundes, urteilte der Bundesgerichtshof am 9. Juni 2011 (Az. III ZR203/10) und stärkte damit deren Rechte und ihren Anspruch auf eine gute Betreuung und Pflege.

»Vor einer so weit reichenden Entscheidung sollten Pflegebedürftige gemeinsam mit ihren Angehörigen zunächst versuchen, mit ihrem Pflegedienst eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden«, rät die Pflegeexpertin Dunja Neukamp. Gelingt das nicht, kann der Pflegebedürftige den ambulanten Pflegevertrag fristlos kündigen, ohne dass er Gründe nennen muss. Denn der ambulante Pflegevertrag, so der BGH in seinem Urteil, begründe ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern.

Dieser Schutz könne auch nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgehebelt werden, stellt die Juristin von der Verbraucherzentrale Brandenburg klar: »Sehen vorformulierte Vertragsklauseln der Pflegedienste nur eine 14-tägige Kündigungsfrist vor oder setzen das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus, sind diese unwirksam, weil sie das außerordentliche Kündigungsrecht des Pflegebedürftigen in unzulässiger Weise einschränken.«

Wer jedoch auf eine ununterbrochene Versorgung angewiesen ist und keine Angehörigen hat, die bei einer möglichen Versorgungslücke einspringen können, sollte vor der fristlosen Kündigung einen neuen Pflegedienst des Vertrauens gefunden haben. Nur so kann einer möglichen Versorgungslücke durch einen voreiligen Wechsel vorgebeugt werden.