nd-aktuell.de / 31.12.2011 / Brandenburg / Seite 13

Ablehnung des Fremden wächst

Integrationspolitiker sehen auch Wirtschaft und Eltern in der Pflicht

(epd). Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening zeigt sich beunruhigt über eine wachsende Ablehnung gegenüber Muslimen in der Stadt. Piening sprach von einer »besorgniserregenden und wachsenden« Feindlichkeit gegenüber Menschen islamischen Glaubens. Pienings langjährige Amtsvorgängerin Barbara John und die neue Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) verwiesen auf die besondere Verantwortung von Wirtschaft und Eltern für eine erfolgreiche Eingliederung von Zuwanderern.

Nach den Worten Pienings trifft die wachsende Ablehnung gegenüber Muslimen vor allem Menschen aus der Türkei und aus dem arabischen Raum. »Sie werden häufig stellvertretend abgelehnt für alles, was fremd erscheint«, sagte er. Nach wissenschaftlichen Studien fielen die Vorbehalte umso deutlicher aus, je geringer der unmittelbare Kontakt mit Einwanderern sei. Es komme daher verstärkt darauf an, hier »Integrationspolitik nach beiden Seiten« zu betreiben, sagte Piening. »Auch die Mehrheitsgesellschaft muss sich in die Integrationsgesellschaft einfügen«, unterstrich er.

Die Ablehnung gegenüber Muslimen wirke auch auf die Einwanderer selbst zurück, warnte der Berliner Integrationsbeauftragte. Diese Menschen hätten das Gefühl, von der Gesellschaft insgesamt abgelehnt zu werden. Nach einer Mitte Dezember vorgestellten Studie des Meinungsforschungsinstitutes Info GmbH hat jeder vierte Berliner eine ablehnende bis negative Haltung gegenüber Zuwanderern.

Pienings langjährige Amtsvorgängerin John sieht die Schaffung von Arbeitsplätzen als Schlüssel für eine erfolgreiche Integration an. Die jetzige Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Berlin sagte: »Eine berufliche Tätigkeit hat eine starke integrative Wirkung.« Arbeit bedeute Selbstbewusstsein sowie Austausch und Auseinandersetzung auch mit Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft. »Ein oder zwei Prozent Wirtschaftswachstum sind daher besser für die Integration als zahlreiche spezielle Programme«, fügte John hinzu.

Für eine bessere Integration von Zuwanderern müsse sich Berlin zudem noch stärker als eine offene Stadt definieren. »Berlin muss europa- und weltweit der Ruf einer toleranten Atmosphäre vorausgehen, wo man sich als Neuankömmling wohlfühlt«, sagte John, die von 1981 bis 2003 Berlins Ausländerbeauftragte war. Notwendig seien dazu auch mehr Begegnungen zwischen Einheimischen und Zugewanderten. »Erfahrungsgemäß sind die Vorbehalte gegenüber Migranten dort am größten, wo es die wenigsten direkten Kontakte gibt«, sagte John.

Die neue Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) will Eltern in der Integrationspolitik stärker in die Pflicht nehmen. »In Schulen sollte man mit den Eltern Vereinbarungen schließen darüber, was ihre Pflichten sind«, sagte sie laut einem Pressebeitrag. Elternverträge könnten geschlossen werden, um etwa Hausaufgabenkontrolle und Pünktlichkeit der Kinder sicherzustellen.

Auch die Wirtschaft solle sich nach Meinung der Senatorin mehr für Migrantenkinder öffnen. »Viele Schulabgänger mit Migrationshintergrund kommen gar nicht darauf, sich bei einem deutschen Unternehmen zu bewerben, weil sie sich keine Chancen ausrechnen«, sagte Kolat.