Unpraetentiös

Peter Praet / Der belgische Ökonom wird neuer Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank

Mit der Berufung des Belgiers Peter Praet zum neuen Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank kann Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Aussage ihres Sprechers »sehr gut« leben. Das klang vor einigen Wochen noch ganz anders. Da wollte sie unbedingt Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, einen Vertreter der monetaristischen Bundesbank-Ideologie, auf diesen Posten hieven. Dann aber brachte die französische Regierung mit Benoît Coeuré einen eigenen Kandidaten ins Spiel, der im krassen Gegensatz zu Asmussen die Euro-Krise mit der Notenpresse beenden möchte.

Niemand hatte Peter Praet, der seit Mai 2011 dem sechsköpfigen EZB-Direktorium angehört und zuvor gut zehn Jahre im Leitungsgremium der belgischen Nationalbank saß, auf der Rechnung. Mit der Personalie zeigt der neue EZB-Chef Mario Draghi, dass er sich vom Duo Merkel/Sarkozy nicht einfach herumkommandieren lassen will und auch an die kleinen Länder denkt. Gleichzeitig setzt Draghi auf Brückenbau: Praet, der unprätentiös und zurückhaltend erscheint, aber auch als machtbewusst beschrieben wird, gilt als Vertreter einer Geldpolitik, die neben der Inflationsbekämpfung auch das Wachstum im Blick hat. Gleichwohl ist der Mehrsprachler, der als Sohn eines belgischen Militärarztes und einer Deutschen 1949 in der Ortschaft Herchen bei Siegburg zur Welt kam, Befürworter schärferer europäischer Regeln für die Haushaltspolitik der Euroländer.

Der Ökonom, der an der Freien Universität Brüssel studiert hatte und dort ab 1980 als Professor lehrte, ist aber vor allem Experte im Bereich Bankenregulierung. So war er als Mitglied des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht an der Ausgestaltung der neuen Eigenkapitalregeln für den Finanzsektor (»Basel III«) beteiligt.

Auch mit dem Kompromisskandidaten wird der Grundsatzkonflikt in der EZB um den geldpolitischen Kurs weiterschwelen. Asmussen wird nämlich künftig u.a. die Rechtsabteilung leiten, welche die von Berlin und der Bundesbank scharf kritisierten Anleihenkäufe von Krisenstaaten durch die EZB juristisch bewerten soll. Angela Merkel kann die Nichtberücksichtigung Asmussens daher verschmerzen.

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