Meilen-Bonus und »Bild«-Malus

Münteferings Strafanzeige stößt zumeist auf Kritik

  • Peter Richter
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Die »Bonusmeilen«-Kampagne der Bildzeitung hat ihr die Solidarität von elf Chefredakteuren und zugleich eine Rüge des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) eingebracht.

Man möchte nicht für "Bild" kämpfen. Im Fall der Fälle müsste man es aber.« So das etwas hilflose Fazit des Chefinvestigators der Süddeutschen Zeitung, Hans Leyendecker, zur aktuellen Auseinandersetzung über die Berichterstattung des hemdsärmligen Massenblatts in der Sache »Bonusmeilen«. Und elf Chefredakteure - überwiegend aus der konservativeren Ecke, neben anderen der der »Süddeutschen« nicht darunter - machen sich denn auch schon um die Pressefreiheit, die einige von ihnen im eigenen Verantwortungsbereich freilich nur sehr selektiv verwirklichen, Sorgen. Stefan Aust vom »Spiegel« sieht ein »ernstes politisches Problem«, sein »Focus«-Kollege Helmut Markwort warnt vor »Einschüchterung«, und »Welt«-Chefredakteur Wolfram Weimer mutmaßt wie Wolfgang Kenntemich vom Mitteldeutschen Rundfunk einen »zornigen Angriff« auf die Pressefreiheit. Auch die Chefs von »Stern«, RTL, SAT 1, des Bayerischen Rundfunks, des »Tagesspiegel« und FAZ-Herausgeber Schirrmacher unterschrieben den Protest gegen die Strafanzeige, die SPD-Generalsekretär Franz Müntefering nur als »betroffener Bundestagsabgeordneter«, wie er gestern nach der Präsidiumssitzung seiner Partei in Hannover mitteilte, gegen »Bild«, den Steuerzahlerbund und einen von dessen früheren Mitarbeitern, der inzwischen für die FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen und damit für deren Vorsitzenden Jürgen Möllemann tätig ist, erstattet hat. Schließlich könne es nicht angehen, so Müntefering, dass der Datenschutz offenbar für Abgeordnete nicht gelte. Der Deutsche Presserat hingegen sieht in der Bonusmeilen-Affäre »absolut keinen Datenschutzfall«, wie der Vorsitzende seines Beschwerdeausschusses, Manfred Protze, sagte, sondern die Realisierung des Rechtes der Presse, den korrekten Umgang von Abgeordneten mit öffentlichen Geldern zu prüfen. Er befürchtet »die Unterdrückung unliebsamer Nachrichten« und verwies auf wiederholte Versuche, »die in den journalistischen Arbeitsstellen und in den Notizbüchern gesammelten Informationen auszuforschen«. Solchem Misstrauen hatte vor allem SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler Nahrung gegeben, der von einem »Gau für den Datenschutz und für die Persönlichkeitsrechte« sprach und vor dem Presserat klar machen will, »wo die Grenzen der Pressefreiheit sind«, sogar eine mögliche Änderung des Medienrechts andeutete. Verständnis für Müntefering äußerte auch Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der PDS, die mit dem Gysi-Rücktritt besonders schmerzlich von der »Bonusmeilen«-Kampagne betroffen ist. Die Strafanzeige sei keineswegs eine Bedrohung der Pressefreiheit; vielmehr nehme der SPD-Generalsekretär ein im Rechtsstaat jedem Bürger offen stehendes Recht wahr. Stieglers Forderungen allerdings nannte auch Bartsch »übertrieben«. Als eine »politische Kontroverse, keine justizielle« bezeichnete hingegen der grüne Außenminister Joschka Fischer den Streit um die Versuche der Bildzeitung, mit einer »Kampagne von gnadenloser Einseitigkeit« politische Mehrheiten zu verändern. Und trifft sich da zwar weniger mit den protestierenden Chefredakteuren, jedoch mit dem Deutschen Journalisten-Verband, der in der »Bild«-Berichterstattung einer Verletzung des auch vom Springer-Verlag anerkannten Pressecodexes sieht. »Journalisten sind verpflichtet, die volle Wahrheit zu schreiben«, erklärte der DJV-Vorsitzende Rolf Lautenbach. Er rügte »einseitige Berichterstattung« mit Recherchen nur in eine Richtung. Mit der »Bonusmeilen«-Kampagne hat »Bild seinen ohnehin bestehenden Image-»Malus« in ...

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