nd-aktuell.de / 16.01.2012 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Biomasse verändert Chemie

Forscher: Nachwachsende Rohstoffe für Stromproduktion oder Kraftstoff ist Verschwendung

Elke Bunge
Die heutige Chemieindustrie ist vom Rohstoff Öl abhängig. Doch Biomasse könnte Öl langfristig ersetzen, sagen dänische Wissenschaftler. Dazu muss sich die Chemie wandeln und neue Verfahren und Produkte entwickeln.

Die Chemieindustrie baut heute auf Erdöl auf. Das muss nicht sein, zeigt eine Studie von vier Wissenschaftlern aus Dänemark. Auch Biomasse ist als Rohstoff geeignet. Das sei zudem sinnvoller, als die Biomasse so wie heute als Energiequelle zu nutzen.

Esben Taarning und seine Kollegen von der Katalysatorfirma Haldor Topsöe in Kongens Lyngby sowie vom Lindoe Offshore Renewables Center in Munkebo erläutern im Fachjournal »Angewandte Chemie« (DOI: 10.1002/ ange.201102117), wie ein sinnvoller Übergang von der Petrochemie zur Biomasse-Chemie aussehen könnte. Bisher wird der größte Teil der in der Industrie verwendeten Biomasse zur Stromgewinnung verbrannt. Dies sei auf lange Sicht nicht optimal, so die Autoren. »Es ist auch nicht die sinnvollste Lösung, Biomasse in Kraftstoffe zu überführen«, so Taarning. Zum einen reiche die verfügbare Biomasse nicht zur Deckung des Treibstoffbedarfs, zum anderen sei die Umwandlung in Kraftstoffe zu aufwendig. Sinnvoller sei es, sich zunächst auf hochwertige Produkte zu konzentrieren. Das ermögliche eine schnellere breite Einführung, so die Autoren. Denn in der Biomasse befinden sich bereits Ausgangsstoffe, die für Spezialchemikalien Verwendung finden könnten. Spezialchemikalien, bei der sich die Einführung einer neuartigen Synthese auch für die chemische Industrie lohnt. »Man sollte nutzen, was bereits an interessanten chemischen Charakteristika in den Biomasseressourcen steckt, und günstige katalytische Reaktionswege optimieren«, so Taarning.

Die Autoren sehen in der Biomasse langfristig aber auch eine Grundlage für die Erzeugung von Grundchemikalien. Ethanol etwa als Ausgangspunkt für die Herstellung von Essigsäure, Ethylen sowie Ethylenglycol und Glycerol als Ausgangspunkt für Acrylsäure, ein Zwischenprodukt für Kunststoffe.

»Der Übergang von einer ölbasierten chemischen Industrie zu einer Industrie auf Grundlage von Biomasse ist eine große Herausforderung«, so Taarning. »Sie bietet aber enorme Chancen: die Entwicklung einer nachhaltigeren chemischen Industrie mit vielseitigerer Rohstoffversorgung und die Herstellung von neuen Produkten mit überlegenen Eigenschaften.«