Angriff von zwei Seiten

Mediziner entwickeln neue Methode zur Behandlung von Hirntumoren

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
Das sogenannte Glioblastom zählt zu den bösartigen Gehirntumoren, die sich derzeit nur unzureichend behandeln lassen. Deutschen Wissenschaftlern ist es jetzt jedoch gelungen, durch den Einsatz einer neuen Kombinationstherapie das Wachstum von Glioblastomzellen merklich zu verlangsamen.

Gemeinhin dient der Begriff »Hirntumor« zur Sammelbezeichnung aller gut- und bösartigen Geschwülste im Schädel, die aus dem Gewebe des Gehirns oder der Hirnhäute entstehen. Ausgehend davon hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Tumore des zentralen Nervensystems nach vier Schweregraden klassifiziert. »WHO Grad I« steht für histologisch gutartige Tumore, die durch eine Operation erfolgreich entfernt werden können. Im Gegensatz dazu bezeichnet »WHO Grad IV« äußerst bösartige Geschwülste, bei denen es auf Grund eingeschränkter Behandlungsmöglichkeiten zu einer deutlichen Reduktion der Überlebenszeit der Patienten kommt.

Dieser Gruppe wird auch das Glioblastom zugeordnet. Es tritt am häufigsten bei über 60-Jährigen auf, wobei Männer fast doppelt so oft betroffen sind wie Frauen. Bei der Mehrzahl der Glioblastome handelt es sich um sporadisch auftretende Erkrankungen, die keine erbliche Komponente aufweisen. Um ein Glioblastom behandeln zu können, ist eine Operation oftmals unerlässlich. Allerdings wird der Tumor in der Regel nicht vollständig entfernt. Dafür müsste man zu viel Gehirngewebe zerstören. Abgesehen davon vermag kein Neurochirurg während der Operation all die feinen Ausläufer zu erkennen, mit denen der Tumor in das umgebende gesunde Gewebe eingewachsen ist. Um aber zumindest das Wachstum der im Gehirn verbliebenen Tumorzellen zu verlangsamen, werden fast alle Glioblastom-Patienten nach der Operation bestrahlt.

Doch auch hier halten sich die therapeutischen Erfolge in Grenzen. »Die Tumorzellen, insbesondere die Krebsstammzellen, sind sehr strahlenresistent«, erklärt Peter Huber vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, der seine Hoffnungen deshalb in eine neue Behandlungsmethode setzt. Denn Untersuchungen haben gezeigt, dass Strahlentherapien bei verschiedenen Krebserkrankungen besser wirken, wenn gleichzeitig spezielle zelluläre Wachstumsfaktoren blockiert werden. Auch Zellen des Glioblastoms produzieren häufig große Mengen des Wachstumsfaktors TGF-ß (engl: »transforming growth factor beta«), die mit einem aggressiven Wachstum des Tumors einhergehen. Darüber hinaus scheint TGF-ß die Selbsterneuerungsfähigkeit der Glioblastom-Stammzellen zu erhalten. Man darf daher vermuten, dass eine Blockade der TGF-ß-Signalwege diese Fähigkeit von Krebsstammzellen bremst und damit den Erfolg einer Strahlentherapie verbessert.

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Radiologischen Universitätsklinik Heidelberg haben diese Vermutung überprüft. Sie verwendeten dafür Glioblastom-Zellen, die man bei der chirurgischen Entfernung von Tumorgewebe entnommen hatte. Diese wurden, während man sie bestrahlte, mit dem neu entwickelten Wirkstoff LY2109761 behandelt, der die Signale blockiert, welche der Rezeptor des Wachstumsfaktors TGF-ß an die Zellen weiterleitet. Tatsächlich ging daraufhin die Selbsterneuerungsfähigkeit der Tumorstammzellen stärker zurück als bei einer reinen Strahlentherapie.

Doch das ist nicht alles. Als die Forscher menschliche Glioblastom-Zellen in das Gehirn von Mäusen transplantierten, lebten diese nach der Kombinationstherapie länger als Tiere, die nur bestahlt worden waren. Der Grund: Die Tumore im Kopf der kombiniert behandelten Mäuse wuchsen langsamer und wiesen eine geringere Dichte an neu gebildeten Blutgefäßen auf. »Paradoxerweise kann die Strahlentherapie in überlebenden Tumorzellen ein bösartigeres Wachstumsverhalten provozieren. LY2109761 scheint diesen fatalen Effekt zu verhindern«, meint Huber.

Bleibt die Frage, ob die Kombinationstherapie auch bei Menschen das Wachstum von Glioblastomen wirkungsvoller verlangsamt als die derzeitige Standardbehandlung. In einer internationalen klinischen Studie hoffen Huber und seine Kollegen, darauf bald eine Antwort zu finden.

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