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Eine etwas andere Freiheit

»Empire Me«

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Was Taiwan nie erreicht hat und Korsika schon gar nicht, die allseits anerkannte Unabhängigkeit vom Festland, haben sich die Orte, Gruppen, Gemeinden einfach herausgenommen, die der österreichische »Veteran alternativer Netzwerke und sozialer Experimente« Paul Poet für seinen Film »Empire Me - Der Staat bin ich!« besucht hat. Utopien nach eigenen Bauplänen, einen Ausstieg aus der Welt der anderen nach Regeln, die man selbst erdachte. Natürlich können diese selbsternannten Mikronationen, diese Fürstentümer und Königreiche von eigenen Gnaden bestenfalls auf eine offiziöse Duldung hoffen. Der Traum von der diplomatischen Anerkennung ist nicht mehr als das und oft nicht einmal angestrebt: Manche der temporären Gegenwelten, die Poet besuchte, sind gar nicht für Dauer geplant.

Die schwimmenden Flöße einer Gruppe US-amerikanischer Künstler und Teilzeitaussteiger zum Beispiel, die er bei der Überfahrt von Slowenien nach Venedig filmte, abenteuerliche Gebilde aus Schrott und Treibholz (und offenbar recht leistungsstarken Motoren), nicht eigentlich seetüchtig und deshalb von der Küstenwache mit einigem Argwohn beäugt. Kapitäne und eine hierarchische Mannschaftsstruktur gibt es auch hier, dazu Zickenkrieg an Bord und immerhin so etwas wie die Einsicht, dass diese schwimmenden »Städte« möglicherweise weniger der Inspiration der (im Bild ohnehin nie auszumachenden) staunenden Massen dienen als der Unterhaltung der Mitfahrer selbst.

Im Piemont ließ Poet sich durch die handgegrabene, dicht an dicht mit pseudo-religiösen Motiven ausgekleidete unterirdische Tempelanlage einer Sekte führen, deren Mitglieder sich bei Tier- und Pflanzennamen nennen und Geld dafür kassieren, dass sie mehrjährige Lehrgänge für erleuchtungswillige Neuzugänge abhalten - eine bizarre Studie in menschlicher (Selbst-)Täuschung, aber auch ein Monument dafür, wozu Menschen fähig sind, wenn es ihnen aus wie absurden Gründen auch immer der Mühe wert erscheint. Und westlich von Berlin tauchte er in eine Swinger-Kommune mit Öko-Siegel ein, die ihre internationalen Gäste mit Schauergeschichten über die Vorgeschichte der Anlage auf gemeinschaftliche Orgien in Öl vorbereitet.

Christiania hat Poet besucht, den geplatzten Aussteiger-Traum am Rand von Kopenhagen, der vierzig Jahre nach seiner Gründung (und offiziellen Duldung) heute zwischen Drogendeals und städtischen Bauplänen zerrieben wird, ein australisches Provinz-»Königreich« mit eigenem Visumsstempel, Hymne und Staatskarosse. Der Regisseur hat vor der englischen Ostküste eine ehemalige Geschützplattform gefunden, auf der ein grau gewordener einstiger Radiopirat und selbsternannter Fürst samt Gattin und Sohn von Fischerei und staatlich garantiert vollständig unzensiertem Datenverkehr leben oder leben wollen. Bei manchen Projekten hätte man sich mehr Informationen gewünscht, bei anderen versteht man auch ohne weiteren Kontext, was ihre Anziehung darstellt.

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