Hochsprünge bleiben aus

Konferenzthema: Soziale Bewegungen und die LINKE

  • Volker Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Volksinitiative zur Rekommunalisierung der Energienetze sammelt über 100 000 Unterschriften, das Netzwerk »Recht auf Stadt« setzt Akzente gegen die Gentrifizierung der Elbmetropole - zwei Beispiele erfolgreicher Hamburger Bewegungen, deren Ziele zu größeren Teilen mit denen der LINKEN übereinstimmen.

Eine aktuelle Umfrage von Infratest dimap bescheinigt der Linkspartei gerade vier Prozent der Wählerstimmen. Gesellschaftskritische Bewegungen sind erfolgreich, die LINKE profitiert davon nur gering, wenn überhaupt. Die Konferenz »Die LINKE entwickelt sich - Auf zu neuen Ufern!« beschäftigte sich am Wochenende unter anderem mit der Frage, »was die LINKE von und in Bewegungen lernen« kann. Die inhaltlichen Diskussionen wurden von vielen Teilnehmern auch als willkommene Abwechslung zu den personalpolitischen Debatten der Bundesebene begrüßt.

»Die LINKE sieht man ja nicht, höchstens mal die Bürgerschaftsfraktion«, »Wir werden nicht als integraler Bestandteil einer ökologischen Bewegung, sondern nur als soziale Partei wahrgenommen« - so lauteten kritische Bestandsaufnahmen der gut 100 Teilnehmer. »Erfolgreiche Bewegungen sind um einiges jünger und kräftiger als unsere Partei«, bilanzierte der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch: »Emotionalität ist eine entscheidende Fragestellung, wichtig ist auch ein Ziel, das erreicht werden kann.«

Wiebke Hansen, Kampagnenleiterin von »Unser Hamburg - unser Netz«, hatte zuvor über die Initiative zur Rekommunalisierung referiert. »Die Offenheit in den Hintergründen ist ein Faktor, warum sich Leute uns anschließen. Manche haben eine linkspolitische Perspektive, manche wollen die Energiewende schneller voranbringen, für manche ist es eine Gemeinwohlfrage, manche sind einfach gegen Vattenfall.«

»Wir konnten einen emotionalen Punkt politisch aktivieren«, ergänzte Dirk Seifert von Robin Wood. Gerd Lauermann warb dafür, selbstbewusster aufzutreten und auch eine »Angst vor antikommunistischen Reflexen in der Bewegung« abzulegen: »Die Bewegungen nutzen uns ja auch als Partei, wenn sie ihre Forderungen durchsetzen wollen.«

Das theoretische Rüstzeug für die zweitägige Konferenz gab der Politologe Michael Vester mit seinem Vortrag »Auflösung oder Wandel der Klassengesellschaft«. In drei gesellschaftlichen Milieus bestehe für die LINKE noch erhebliches Potenzial. Der emeritierte Professor nannte das moderne Arbeitnehmermilieu, die Arbeitnehmermitte sowie unangepasste Unterprivilegierte, die zusammen 32 Prozent der Gesellschaft ausmachten. Hier gebe es, so Vester, eine »große Mobilisierungslücke bei allen Parteien«.

Eine weitere Arbeitsgruppe diskutierte das nachbarschaftlich orientierte Konzept des Community Organizing (CO), das durch den Wahlkampf von Barack Obama 2008 auch in Europa bekannter wurde. Das Prinzip, politisches Engagement und Handlungsfähigkeit in Stadtteilen herzustellen anstatt an Themen, ist auch in den USA nicht unumstritten. Gehen die meisten diesbezüglichen Initiativen zwar in eine progressive Richtung, so überrascht es gleichfalls nur bedingt, dass der konservative britische Premierminister David Cameron jüngst auf »CO« zurückgriff. Der Verdacht, hier wolle der Staat eigene Verantwortung auf Nachbarschaftszirkel abwälzen, schwang auch in den Diskussionen in der Stadtteilschule am Hafen, dem Tagungsort der LINKEN, mit.

Im Bio-Raum lag ein Lehrbuch für die 10. Klassen. Mindestens eine Kapitelüberschrift aus »Einblicke Biologie II« konnte auch für die Linkspartei gelten: »Der Hochsprung erfordert einen besonderen Bewegungsablauf.« Ende Februar soll ein Koordinierungsbüro auf Landesebene tagen, um Vernetzungsmöglichkeiten zu besprechen.

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