Hollande und sein namenloser Gegner

Sozialistischer Präsidentschaftskandidat läuft sich im französischen Wahlkampf warm

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit einem Meeting in Le Bourget bei Paris, an dem nahezu 25 000 Anhänger teilnahmen, hat der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande an Dynamik, Ausstrahlung und Überzeugungskraft gewonnen.

Bisher waren viele Sozialisten und andere Linke, die auf Hollande setzen, enttäuscht über seine Wahlkampagne, die sehr früh begonnen hatte und sich eher lustlos hinschleppte sowie über das immer noch ausstehende Programm und das fehlende Charisma des Kandidaten. Der hat sich zwar selbst zum Ziel gesetzt, ein »normaler Präsident« zu werden, doch sein blasses Image spielt seinen Gegnern in die Hände, die ihn als »Fehlbesetzung für dieses Amt« bezeichnen. In Le Bourget hat Hollande am Sonntag zweifellos Punkte gutgemacht.

In einer ungewöhnlich schwungvollen Rede, die seine Zuhörer fast eineinhalb Stunden lang fesselte und immer wieder zu Beifall hinriss, brachte Hollande das Kunststück fertig, dem linken Flügel innerhalb der PS und den Kräften links von der Partei seine Verbundenheit mit den Idealen von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit zu versichern sowie auch den sozialdemokratischen Flügel innerhalb und die linksliberalen Kräfte außerhalb der Sozialistischen Partei nicht durch verbale Radikalität zu verprellen.

Seinen unmittelbaren Gegner, den noch amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy, nannte Hollande kein einziges Mal beim Namen, aber viele prägnante Aussagen zielten eindeutig auf ihn. So versicherte er: »Ich liebe die Menschen, während andere vom Reichtum fasziniert sind.« Als Präsident werde er »den Privilegien ein Ende bereiten«.

Noch deutlicher wurde Hollande, als er ausrief: »Mein wahrer Gegner hat keinen Namen, kein Gesicht, keine Partei. Er kandidiert nie und regiert trotzdem - es ist die Finanzwelt.« Um sie in die Schranken zu weisen und die Franzosen und ihre Sparguthaben zu schützen, sollen die Banken gezwungen werden, die Verwaltung der Kundenkonten strikt von der Spekulation an den Finanzmärkten zu trennen.

Die Einkommensteuer soll reformiert und auf die Finanzeinkommen ausgedehnt werden. Außerdem will Hollande neue Steuerklassen für vermögende Franzosen einführen, um mehr Steuergerechtigkeit herzustellen.

Für 150 000 arbeitslose Jugendliche aus »sozialen Problemzonen« will Hollande befristete Arbeitsplätze schaffen, die dank einer Ausbildung später in feste Arbeitsverhältnisse münden sollen. Um die Wohnungsnot zu bekämpfen, soll die gesetzliche Möglichkeit geschaffen werden, die Mieten zeitweise »einzufrieren«.

Zudem wagte sich Hollande auch auf das gewöhnlich eher von den Rechten »beackerte« Feld der Sicherheit vor und versicherte, dass er nicht nur den Finanzbetrügern und Steuerflüchtlingen, sondern auch den kleinen Bandenchefs und Drogendealern, die den Bürgern in ihren Wohnvierteln das Leben verleiden, den entschlossenen Kampf ansagen wird.

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