Auf halber Strecke stecken geblieben

  • Maria Klein-Schmeink
  • Lesedauer: 4 Min.
Maria Klein-Schmeink ist Sprecherin für Prävention und Patientenrechte der Grünen-Fraktiom im Bundestag.
Maria Klein-Schmeink ist Sprecherin für Prävention und Patientenrechte der Grünen-Fraktiom im Bundestag.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat darauf verwiesen, dass er den Patienten auf Augenhöhe mit dem Arzt bringen wolle. Ein guter Anspruch, aber der Entwurf wird dem in keiner Weise gerecht.

Einige Aspekte sind durchaus positiv zu bewerten. Richtig ist zum Beispiel, dass es jetzt einen eigenständigen Behandlungsvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch geben soll. Das schafft Klarheit, Transparenz und Orientierung auf beiden Seiten. Aber im Detail bleiben viele Regelungen auf halber Strecke stecken und bilden bis auf wenige Ausnahmen im Grunde nur das ab, was bereits bestehendes Recht ist.

Am schwersten wiegt, dass es keine wirkliche Verbesserung für geschädigte Patientinnen und Patienten bei der Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche gibt. Lange Prozesszeiten, hohes Kostenrisiko und geringe Erfolgsaussichten aufgrund hoher Anforderungen an die Beweisführung lassen ausgerechnet diejenigen weiter ohne Unterstützung, die Opfer eines vermeidbaren Fehlers wurden. Zwar sollen die Krankenkassen ihre Versicherten im Falle eines Schadens in Zukunft zum Beispiel durch medizinische Gutachten unterstützen, der entscheidende Schritt zur Verbesserung der Gutachten, wie Anforderungen an die Qualität, Einheitlichkeit und Unabhängigkeit, fehlt jedoch.

Die Umkehr der Beweislast bei einem groben Behandlungsfehler im Gesetz zu verankern, spiegelt nur die ständige Rechtsprechung wider. Doch ist es fair, wenn der Patient nicht nur nachweisen muss, dass er einen Schaden erlitten hat und ein Behandlungsfehler vorliegt, sondern zusätzlich den eindeutigen Nachweis führen muss, dass der Fehler den Schaden auch verursacht hat? Daran scheitern heute die meisten Prozesse und deshalb muss es hier eine Beweiserleichterung für die Patienten geben.

Sehr bedauerlich ist, dass es nicht zu einem Härtefallfonds kommen soll, der in den Fällen eintritt, wo es nicht gelingt, eindeutig festzustellen, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, der Patient aber einen schwerwiegenden Schaden erlitten hat. Ein solcher Fonds sollte über eine Umlage finanziert werden und den stationären und ambulanten Bereich erfassen.

Unzulänglich sind auch die Passagen, die sich mit den Informationsrechten, der Aufklärung und Akteneinsicht von Patienten befassen. Es fehlen Regelungen, die sicherstellen, dass Patienten ohne ausreichende Sprachkenntnisse einen Dolmetscher bekommen. Bei der Information über eine erfolgte Behandlung reicht es nicht, das Anrecht gesetzlich zu verankern, es braucht auch eine handfeste Umsetzung. Der Patient muss nach einem bedeutenden Eingriff regelhaft eine Kopie des Arztbriefes ausgehändigt bekommen, der für medizinische Laien verständlich formuliert ist.

Problematisch ist es zudem, dass keine »handfesten Sanktionen« ausgesprochen werden können, wenn Patienten die Einsicht in ihre Krankenakten verwehrt wird. Denn heute sehen sich viele Patienten genötigt, auf die Herausgabe der vollständigen Krankenakten zu klagen, obgleich hier die Rechtslage eindeutig ist.

Weit hinter dem Notwendigen bleiben auch die Regelungen zur Patientensicherheit. Wer vollmundig davon spricht, dass wir in Deutschland dringend eine bessere »Fehlerkultur« und stringente Maßnahmen zur Fehlervermeidung und zum Risikomanagement brauchen, der darf es nicht der Entscheidung eines Krankenhauschefs oder eines Praxisinhabers überlassen, ob dort solche organisatorischen Vorkehrungen getroffen werden. Es reicht schlichtweg nicht aus, die Teilnahme an Fehlermeldesystemen nur über finanzielle Anreize zu fördern. Am bereits freiwillig bestehenden System nehmen derzeit nur 100 Kliniken in Deutschland teil.

Die aktuelle Diskussion um die kriminellen Machenschaften eines Brustimplantateunternehmens zeigt, wie dringend wir im Bereich der Medizinprodukte weitere Schutzregelungen brauchen. Warum werden mit dem Gesetzentwurf nicht Register wie beispielsweise für Endoprothesen oder Brustimplantate verpflichtend gemacht, wie sie in vielen europäischen Ländern schon seit Jahren erfolgreich zur Qualitätssicherung und Patientensicherheit eingesetzt werden? Derzeit gibt es eine freiwillige Initiative für das Endoprothesenregister Deutschland. Seine eigentliche Funktion kann es jedoch nur durch eine verpflichtende Teilnahme aller Akteure und eine gesetzliche Grundlage erfüllen.

Der Patientenbeauftragte hat in den letzten beiden Jahren mit den gleichen Patientenorganisationen gesprochen wie wir. Der Gesetzesentwurf bleibt weit hinter dem zurück, was ein modernes Patientenrechtegesetz enthalten sollte, zum Beispiel auch eine Erweiterung der Rechte der Patientenvertreter. Herr Zöller, walten Sie Ihres Amtes und sorgen Sie für ein update!

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