Polizisten im Streik

Ausstand sorgt für Chaos in brasilianischer Karnevalshochburg

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Nordosten Brasiliens streiken Polizisten für bessere Gehaltszahlungen - und sind damit politisch isoliert.

Weniger als zwei Wochen sind es bis zum Karneval in der brasilianischen Großstadt Salvador, einem der größten weltweit. Doch momentan denkt kaum jemand in der 2,7 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt des nordöstlichen Bundesstaates Bahia an den Umzug. Denn die Polizei streikt seit einer Woche, was die Stadt ins Chaos gestürzt hat. Mindestens 93 Menschen wurden seit Streikbeginn getötet, mehr als doppelt so viele wie in der Vorwoche, es gab auch mehr Überfälle und Plünderungen. Konzerte und andere öffentliche Veranstaltungen wurden angesichts der Situation abgesagt.

Die Tourismusunternehmer zeigen sich besorgt. Salvador de Bahia ist eines der Hauptreiseziele in Brasilien. Für dieses Jahr wurden ursprünglich 6,5 Millionen Besucher erwartet. Doch der Streik könnte allzu freudigen Erwartungen einen Strich durch die Rechnung machen. Pedro Galvão von der Brasilianischen Vereinigung der Reiseveranstalter schätzt, dass allein in der vergangenen Woche mindestens zehn Prozent der Reise- und Hotelreservierungen storniert wurden.

An dem Arbeitskampf beteiligen sich mehr als 10 000 Polizisten, rund ein Drittel der in der Berufsgewerkschaft Aspra Organisierten. Die Streikenden gehören zu der für Ordnung und Sicherheit zuständigen »Polícia Militar«. Sie fordern eine Lohnerhöhung von bis zu 50 Prozent - die Regierung bietet bislang lediglich 6,5 Prozent -, die Bezahlung von Überstunden, bessere Arbeitsbedingungen und Straffreiheit für die Streikenden.

Ein Gericht hatte den Arbeitskampf am Freitag für illegal erklärt und die Verhaftung von zwölf Streikführern angeordnet. Bisher wurde jedoch nur einer Gesuchten festgenommen. »Der Rechtsstaat erlaubt nicht, das Recht in die eigene Hand zu nehmen. Dieser Streik, so wie er sich entwickelt, ist inakzeptabel«, erklärte Justizminister José Eduardo Cardozo, der am Samstag in Begleitung der Militärführung nach Bahia reiste. Seit dem Wochenende hat die Armee die Kontrolle übernommen. Knapp 2600 Soldaten sollen Recht und Ordnung wieder herstellen.

Doch die Streikenden denken nicht daran aufzugeben. Sie haben zusammen mit Angehörigen das Parlamentsgebäude in Salvador, wo sich der Streik hauptsächlich abspielt, besetzt und lehnen einen Abzug bisher ab. Das Gebäude ist vom Militär umstellt; Wasser und Strom wurden abgestellt, was die Spannungen noch erhöht hat. Gegenüber der Tageszeitung »Folha de S. Paulo« hatte einer der Streikenden erklärt: »Die Regierung weiß, dass 99 Prozent von uns bewaffnet sind. Wenn sie versuchen zu räumen, gibt es ein Blutbad.« Im Verlauf des Montags gab es vor dem Parlament Zusammenstöße von Militär und Angehörigen der Streikenden. Die Armee setzte Pfefferspray, Tränengas sowie Gummigeschosse ein und feuerte Warnschüsse ab.

Die Bundesregierung um die Arbeiterpartei PT versucht derweil, die Streikenden zu isolieren. Das Sicherheitskabinett des Bundesstaates hatte Vertreter von vier Polizeivereinigungen zu Gesprächen eingeladen, die sich aber gar nicht an dem Streik beteiligen. Vertreter von Aspra waren dagegen nicht geladen worden. Die Regierung weigert sich, diese überhaupt anzuerkennen.

Schon im Jahr 2001 hatte es einen 13-tägigen Polizeistreik um Lohnerhöhungen gegeben. Damals hatten die PT, zu der Zeit in der Opposition, und die Kommunistische Partei Brasiliens den Ausstand noch politisch und logistisch unterstützt. Heute wollen sie davon nichts mehr wissen.

Bahias Gouverneur Jaques Wagner (PT) kritisierte die Streikenden scharf und gab zudem eine Sicherheitsgarantie für den anstehenden Karneval ab. Die Tourismusmanager wird’s freuen.

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