Hoffen auf den Ideengeber

Im Pokal-Viertelfinale gegen Mönchengladbach darf Herthas Raffael wieder spielen

Abwechslung vom Alltag tut meistens gut. Besonders, wenn es mal nicht so richtig läuft. Bei Hertha BSC läuft es überhaupt nicht. Nach drei Niederlagen in drei Rückrundenspielen in der Bundesliga heißt der Alltag beim Viertletzten jetzt mehr denn je: Abstiegskampf.

Die Vorfreude auf das heutige Spiel im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Mönchengladbach war bei den Berliner Fußballern dann auch nicht zu überhören. »Ich bin optimistisch«, sagte Michael Skibbe. Um seine Zuversicht zu unterstreichen, bemühte der Trainer noch die alte Floskel, dass der Pokal ein ganz anderer Wettbewerb mit eigenen Gesetze sei.

So verständlich Skibbes Versuch ist, den verunsicherten Spielern Mut zu machen, die faktische Begründung ist kaum nachzuvollziehen. Im DFB-Pokal habe Hertha zuletzt ja auch dreimal gewonnen. Die Siege gegen die Regionalligisten ZFC Meuselwitz und Rot-Weiss Essen sollten für einen Erstligaklub jedoch nicht mehr als eine Pflichtaufgabe sein. Der Achtelfinalerfolg gegen Kaiserslautern gelang gegen einen Ligakonkurrenten, der in der Tabelle noch weiter unten steht. Und nicht zuletzt: Dass die Berliner seit fünf Jahren erstmals wieder im Viertelfinale stehen, ist der Arbeit seines Vorgänger Markus Babbel zuzuschreiben.

Daher reduziert sich Herthas Hoffnung allein auf einen Namen: Raffael Caetano de Araújo. So sehr die negative Rückrundenbilanz die vom neuen Trainer Skibbe ist, so ist sie im gewissen Sinne auch die des brasilianischen Spielmachers. Aufgrund seiner roten Karte aus dem letzten Hinrundenspiel Mitte Dezember in Hoffenheim fehlte der gesperrte 26-jährige Raffael im neuen Jahr in allen drei Partien. »Er ist Herthas Ideengeber«, weiß auch Skibbe, »mit ihm kommt eine gefährliche Waffe in die Offensive zurück.« In diesem Fall geben ihm die Zahlen recht: Fünf Toren und sechs Vorlagen - Raffael ist Berlins bester Scorer.

Der Hoffnungsträger nimmt die Aufgabe auch selbstbewusst an: »Ich weiß, dass ich der Mannschaft und auch dem Trainer weiterhelfen kann«, sagte Raffael. »Ich bin bereit.«

Im Gegensatz zu den Berlinern haben für die Borussia Siege in dieser Saison keinen Seltenheitswert. Entsprechend selbstbewusst machte sich der Tabellenvierte auf den Weg in die Hauptstadt. Sportdirektor Max Eberl bezeichnete Hertha als »machbare Aufgabe«. Und noch ein Punkt spricht für die Gladbacher. Trainer Lucien Favre kennt aus seiner Berliner Zeit von Juni 2007 bis September 2009 die Hertha sehr gut. Aber noch besser kennt er Raffael. Der Schweizer ist sein Entdecker und größter Förderer. 2005 holte er ihn zum FC Zürich, zweieinhalb Jahre später nach Berlin. »Raffael macht Herthas Spiel besser«, weiß Favre um dessen Stärken. Aber er kennt natürlich auch die Schwächen des Berliner Hoffnungsträgers.

Deshalb sollte trotz der Rückkehr des torgefährlichen Technikers für Hertha keine Rolle spielen, was dem Mönchengladbacher Marco Reus derzeit ganz selbstverständlich über die Lippen kommt: »Wer im Viertelfinale ist, der darf auch sagen, dass er zum Endspiel will.« So klang dann auch der Berliner Traum vom Finale im eigenen Olympiastadion nur leise an. Berlin warte schon so lange darauf, formulierte Hertha-Manager Michael Preetz vorsichtig, er spüre »die große Sehnsucht«.

Der Alltag bestimmt eben doch das Leben. So ist es Trainer Skibbe beim Gedanken an einen Sieg gegen Mönchengladbach auch viel wichtiger, Selbstvertrauen für die Liga zu tanken, als die nächste Runde zu erreichen.

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