nd-aktuell.de / 13.02.2012 / Kultur / Seite 16

»dunkel genossen«

Hans-Dieter Schütt

Baikonur, Kasachstan. Auf rumplig wirkender Leitschiene fährt der Mensch seinem Ziel entgegen: einer Startrampe - um dort alle Gleise des Landläufigen zu verlassen …

Mögen wir aber aufbrechen zu fernsten Orten - das Fliegen und das Schweben über fremder Tiefe erhält seinen Wert nur immer aus der Weise, wie wir zurückkehren. Zur Erde, zu unserer Unvollkommenheit, zu uns selber. Und wie wir inmitten hochschießender, alle Himmel durchstoßender Metalle doch eines nicht vergessen: dass es Momente gibt, in denen Schmetterlinge dicht über einer Blüte das größere Wunder sind als unsere Raketen weit oben.

Sänger Gerhard Gundermann fragt ins All hinein - »ist da wer« heißt sein Lied: »der planet hier ist ein apfel/und ich hab angst du wärst der sturm/und ich bin nur der apfelkern/oder bin ich nur der wurm«. Und Heiner Müller lässt Gagarin sagen: »dunkel genossen ist der weltraum sehr dunkel«. Günter Kunert sieht den Kosmonauten und seinen Flug so: »Eine unfassbare Kugel nannte er nun Heimat,/und, wie nie vorher, kam sie ihm plötzlich nah,/da er, fern von ihr, in den Unendlichkeiten,/ stumm und reglos auf sie niedersah.//Während seiner Rückkehr zum Planeten/Ward ihm klar: Die Erde ist nur eins./Die darauf sind, müssen miteinander leben,/oder es wird von ihr heißen: Leben keins.«

Wer geht, blickt zu den Sternen auf. Wer fliegt, blickt herunter. Das eine macht erhaben, das andere demütig. Schönste Aufgabe: neue Räume aufzureißen, ohne dass das wissende Lächeln der Wissenschaft frostig wird.

Es geht darum, im kühn Erschlossenen noch das Unerschließbare feiern zu können. Und also jenen Entschlüsselungstechniken, mit denen die Welt von hergenommen und aufgerissen und entschleiert wird, nicht jedes Rätsel und nicht jedes Geheimnis zu opfern. Das wäre eine gut Art, das wäre die nötige Gutartigkeit für viele weitere Flüge durchs All.

Die Spitzenmeldung für die Zeitungen, an jenem Aufstiegstag des Sigmund Jähn 1978, einem Sonntag, lagen schon Tage bereit, in den Panzerschränken der Chefredaktionen. Die gut behütete Sensation. Und als das Gesicht des Mannes dann die Verschwiegenheit verließ und sich zeigte, da zeigte sich auch, und eigentlich für alle künftigen Zeiten, dass der Name das Wesen dieses Menschen durch Weglassen eines einzigen Buchstabens trefflich erzählte: Sigmund, nicht Siegmund. Tat, nicht Sieg.