Im Keller unter der Moschee

Der Deutsche Fußball-Bund vergibt seinen Integrationspreis

  • Jenny Becker
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Deutsche Fußball-Bund hat am Freitag in Berlin zum fünften Mal Vereine und Schulen ausgezeichnet, die sich für eine multikulturelle Gesellschaft einsetzen. Platz zwei ging an den SV Genc Osman Duisburg.
Erkan Üstünay (hinten, 4. v. l.) mit Genc-Osman-Jugendlichen und Besuchern von der Duisburger Polizei.
Erkan Üstünay (hinten, 4. v. l.) mit Genc-Osman-Jugendlichen und Besuchern von der Duisburger Polizei.

Erkan Üstünay sitzt an einem der weiß gedeckten Tische im Berliner Hotel Intercontinental. Wenn er den Kopf nach links dreht, sieht er Bundeskanzlerin Angela Merkel, dreht er ihn nach rechts, blickt er auf einen silbernen Mercedes, der in der Ecke des Saales vor sich hin glänzt. Der 36-jährige Duisburger gehört zu den Nominierten des Integrationspreises des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), für den Mercedes Benz das Geld gibt. Auf der Leinwand wird gerade sein Verein vorgestellt: der SV Genc Osman aus Duisburg.

Im Keller unter einer Duisburger Moschee hat Üstünay einen Jugendklub eingerichtet - »ein offener Treff ohne religiöse Vorschriften«, wie er sagt. 70-jährige Moscheebesucher spielen nach dem Gebet Billard, obwohl sie es anfangs als »Teufelszeug« verurteilt hatten. Jugendliche kickern oder zocken an der Playstation - manchmal sogar zusammen mit der Polizei, mit der eine Partnerschaft besteht. Die Beamten kommen regelmäßig vorbei, als gern gesehene Gäste. Sie klären über Drogenmissbrauch auf oder bieten Seminare an. Vor allem aber wollen sie Ansprechpartner für alle sein.

Natürlich wird auch gekickt beim SV Genc Osman, sechs Fußballteams gibt es. Dort trainieren viele Jugendliche, die von anderen Vereinen abgelehnt wurden - weil sie straffällig geworden waren oder die Beiträge nicht zahlen konnten. »Ihnen wollten wir ein Gefühl der Zugehörigkeit geben«, sagt Üstünay. Mit Erfolg: So mancher Genc-Spieler wird heute von anderen Vereinen umworben.

In den kurzen Videospots im Berliner Hotel Interconti erfährt man solche Details natürlich nicht. Nach den Grußworten von DFB-Präsident Theo Zwanziger, der Kanzlerin und Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff geht die Bekanntgabe der Gewinner schnell vonstatten - ohne Jurybegründung. 176 Bewerber gab es, in den Kategorien Verein, Schule und Sonderpreis.

Neun Projekte wurden nach Berlin geladen. Eigentlich hätten es zwölf sein sollen, doch 2012 gibt es in der Kategorie Sonderpreis, die sich an Institutionen außerhalb des organisierten Fußballs wendet, nur einen Nominierten - und damit Gewinner: die Deutsche Soccer Liga aus Erfurt. Sie veranstaltet Straßenturniere, bei denen nicht nur Tore, sondern faires Verhalten Punkte bringen.

Ein Mercedes-Kleinbus ist der Hauptpreis in jeder Kategorie, für den Zweitplazierten gibt es 10 000 Euro, für den dritten Platz 5000 Euro. Auch Erkan Üstünay muss auf die Bühne und hält schon bald einen riesigen Scheck aus Pappe in der Hand - der SV Genc Osman ist Zweiter geworden. Am Tisch der Sieger vom VFL Fontana Finthen aus Mainz ist der Jubel riesig. Drei Jugendtrainer sind mit nach Berlin gereist, in ihren Jeans- und Karohemden fallen sie auf unter all den Anzugträgern. Der 15-jährige Rohit Saini aus Indien trainiert erst seit sechs Monaten die Fünf- und Sechsjährigen des Vereins, in dem 150 Kinder und Jugendliche aus 30 Nationen Fußball spielen. Jetzt lässt er sich ein Autogramm von Oliver Bierhoff geben, lächelt in Kameras und bezeichnet sich als »sprachlos und aufgeregt«, wenn man ihn nach dem Preis befragt. Das haben Sieger so an sich - auch die Direktorin der Grundschule Pastorenweg aus Bremen, die den ersten Preis in der Kategorie Schule gewann, ist sprachlos, weil sie nie damit gerechnet hätte.

Erkan Üstünay steht Schweiß auf der Stirn, als er wieder auf seinem Platz sitzt. »Ich bin stolz, so weit gekommen zu sein in nur vier Jahren«, sagt er. Das Preisgeld soll nun laufende Kosten decken - etwa die Jahresmiete für die Halle, in der Fußball gespielt wird. »Eben ist Oliver Bierhoff auf mich zugekommen und hat gesagt, dass er unsere Arbeit super findet.« Bierhoff habe Unterstützung angeboten. »Ich hoffe, die werden uns nach der Preisverleihung nicht allein lassen.«

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