Der nächste Treffer muss sitzen

Berlins Bundesligist Hertha BSC zwischen Trainersuche, Abstiegsangst und Machtkampf im Präsidium

Nach einem kurzen Moment der Führungslosigkeit ist der Berliner Fußball-Bundesligist Hertha BSC wieder um Geschlossenheit bemüht.

Die Fans waren am Dienstag wieder da - auf dem Vereinsgelände von Hertha BSC. Zwei Tage nachdem rund 200 von ihnen den Olympiapark belagert und die Spieler nach dem 0:5 beim VfB Stuttgart zur Aussprache gezwungen hatten. Am Rande des Schenkendorffplatzes verfolgten sie ganz gesittet das Training der Mannschaft, das erste unter der Leitung der Interimsverantwortlichen Ante Covic und René Tretschok.

Der Montag war trainingsfrei. Die Ruhe nutzte der Verein, um sich nach einem turbulenten Wochenende wieder zu sammeln. Am Ende einer außerordentlichen Sitzung des Präsidiums stand eine Erklärung, die nur allzu deutlich Geschlossenheit vermitteln sollte. »Zwischen Präsidium und Geschäftsführung von Hertha BSC passt auch in sportlich schwierigen Zeiten kein Blatt Papier«, so Präsident Werner Gegenbauer.

Das Bild eines überforderten Klubs, zumal im Abstiegskampf, musste korrigiert werden. Zwar teilte Michael Preetz nach der Niederlage in Stuttgart am frühen Sonntagmorgen Trainer Michael Skibbe die Entlassung mit. Die Öffentlichkeit erfuhr es jedoch nicht vom Manager, sondern von verdutzten Spielern, die es wenig später den aufgebrachten Anhängern erzählten. Als Preetz gut drei Stunden später vor die Presse trat, wusste es jeder schon.

Die Lage bei Hertha ist aber noch verzwickter, als es bis hierhin scheint. Denn nicht nur mit dem Blick auf das Sportliche ist der kommende Mai ein richtungsweisender Monat für die Berliner. Eins ist klar: Steigt Hertha erneut ab, kann sich der verschuldete Verein ein derart teures Zweitligateam nicht ein zweites Mal leisten. Ein Umbruch, ein Neuanfang mit bescheidenen Zielen stünde an.

Ebenfalls im Mai, kurz nach dem Saisonende, wird auch das Präsidium neu gewählt. Vor diesem Hintergrund ist es besonders interessant, dass Jörg Thomas die außerordentliche Präsidiumssitzung gefordert hatte. Der 62-Jährige ist Vizepräsident und will dies auch bleiben. Doch Gegenbauer, der erneut für das Präsidentenamt kandidieren wird, favorisiert Thorsten Manske. Ein formidabler Machtkampf, bei dem im Falle eines Abstiegs Preetz und Gegenbauer ganz schlechte Karten haben dürften.

»Einzigartig« fand auch René Tretschok den vergangenen Sonntag. Als der U19-Trainer von Hertha mit seiner Mannschaft auf dem Weg zum Bundesligaspiel beim VfL Wolfsburg war, rief Preetz an. Zurück in Berlin, einigten sie sich, dass Tretschok zusammen mit U15-Trainer Ante Covic nun die Profis als Übergangsduo betreut.

Mit dieser Entscheidung konnte Preetz diesmal nichts falsch machen. In fünf Trainingseinheiten sollen beide das Team bis zum Spiel am Sonnabend gegen Dortmund betreuen, danach soll wieder Schluss sein. Die Verpflichtung von Skibbe nahm Preetz als »Fehleinschätzung« auf seine Kappe.

Nun fahndet der Manager nach einem neuen Trainer. Um den Abstieg zu verhindern, seinen Job zu retten und den des Präsidenten nicht zu gefährden, muss der nächste Treffer sitzen. Nicht leicht bei der Auswahl der gehandelten Kandidaten: Thomas Doll, Krassimir Balakow, Bernd Schuster, Eyjölfur Sverrisson, Kjetil Rekdal ...

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