Schmach oder Triumph

BLOGwoche

  • Antje Schrupp
  • Lesedauer: 2 Min.

Na klar, ich weiß auch nicht, was im Kopf von Angela Merkel vor sich geht, aber was ich weiß ist, dass ich die übliche Gewinner-und-Verlierer-Logik der politischen Analysen absolut nervig finde.

Michael Seemann twitterte: Und nun zu den analysen: gauck ist merkels meisterwerk: t.co/aNtwLSBu vs. merkels größte schmach: t.co/uh0SpUJi wer hat recht?

Wirklich tolle Kategorien: Triumph oder Schmach. Das zeigt schon das ganze traurige Ausmaß der Desolatheit unserer offiziellen politischen Unkultur. Offensichtlich ist es in dieser verquarzten Logik gar nicht mehr möglich, Dinge, die geschehen, in ihrer ganz normalen Normalität zu sehen. Natürlich hat keiner der beiden Kommentatoren Recht, denn sie spielen auf einer idiotischen Skala. Nämlich auf der Skala pseudo-strategischer Ausgebufftheit, die in weiten Bereichen dessen, was heutzutage »öffentlich« genannt wird, inzwischen so vorherrschend ist, dass man sich nicht wundern muss, dass immer mehr Menschen (deutlich mehr Frauen als Männer) sich davon fernhalten. (...)

Ich bin ein gutgläubiger Mensch. Wenn mir jemand erzählt, draußen vor dem Fenster ist ein UFO gelandet, dann glaube ich das solange, bis ich Grund habe, es anzuzweifeln. Ich bin mit diesem Vorgehen (das übrigens unverzichtbar ist für den Austausch mit Anderen, Fremden, Unbekannten) bisher sehr gut gefahren, und ich möchte es auch in den Bereich der Politik zurück holen.

Meine Geschichte geht daher so: Angela Merkel wollte Gauck nicht haben, und es gibt keinen Grund, das nicht zu glauben und ihr irgendwelche macchiavellistischen Strippenziehereien zu unterstellen. Dass Merkel Gauck nicht wollte, damals nicht und jetzt eigentlich auch noch nicht, gibt mir übrigens ziemlich zu denken. Denn ich halte Merkel für einen klugen Kopf, und sie kennt Gauck sicherlich besser als ich. Sie wird ihre Gründe haben, fürchte ich.

Es muss jedenfalls nicht groß machtpolitisch herumspekuliert werden, warum Merkel damals statt Gauck Wulff vorgeschlagen hat. Gründe liegen schließlich offen zutage. Zum Beispiel wäre da die Kleinigkeit, dass Wulff inhaltlich der bessere Präsident war.

Die Autorin ist Journalistin und Politikwissenschaftlerin und lebt in Frankfurt am Main; zum Weiterlesen: www.antjeschrupp.com

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