Grün ist die Hoffnung

Die DFB-Elf läuft am Mittwoch mal wieder in der Traditionsfarbe auf

  • Erik Eggers
  • Lesedauer: 3 Min.

Manchmal war es grausam in grün. Als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft das letzte Mal ein grünes Trikot trug, 2000 in Charleroi, verlor sie 0:1 gegen England. Es war der Anfang vom Ende bei der EM. Nach einer weiteren katas-trophalen Leistung gegen die B-Elf Portugals (0:3) schied das Team von Erich Ribbeck in der Vorrunde aus. Der Bundestrainer musste gehen.

Bei den Romantikern des Fußballs weckt es freilich andere Assoziationen, wenn die Nationalmannschaft am Mittwoch in Bremen gegen Frankreich erstmals nach zwölf Jahren wieder in Grün aufläuft. Sie erinnern sich wohlig an die Mannschaft von 1972, an Günter Netzer, Gerd Müller, Franz Beckenbauer, an den »glänzendsten Sieg einer deutschen Nationalmannschaft«, wie der Feuilletonist Helmut Böttiger urteilte: An das 3:1 im EM-Viertelfinalhinspiel in Wembley, den ersten Sieg einer Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gegen den englischen Gastgeber. An diesen Abend des 29. April 1972, an dem der Korrespondent der FAZ, Karl Heinz Bohrer, mit »Und Netzer kam aus der Tiefe des Raumes«, eine bis heute bekannte Formulierung schuf.

Ein paar Wochen später, nach weiteren Siegen gegen Belgien und gegen die Sowjetunion, wurde das Team von Helmut Schön erstmals Europameister, mit hinreißendem Spiel, das allen Klischees vom deutschen Kraftfußball widersprach. Und so sehen der DFB und Ausrüster Adidas sich bei der Renaissance des grünen Trikots auch nicht in der Tradition des Rumpelfußballs von 2000, sondern sie ziehen für die EM im Sommer in Polen und in der Ukraine eine historische Linie zum Mythos von 1972: »1972 - der Beginn einer Erfolgsgeschichte, 2012 - ein neues Kapitel wartet darauf, geschrieben zu werden«, so lautet der Schriftzug im Nackenbereich des Dresses. Das neue grüne Trikot soll die Poesie von Wembley wiederbeleben.

Die klassische Kombination in schwarz und weiß, in dem die deutsche Elf schon in ihrem ersten Länderspiel 1908 in Basel spielte, ist der preußischen Flagge entlehnt. Welchen Ursprung das Grün hat, können selbst Experten jedoch nicht mit Gewissheit erklären.

In offiziellen DFB-Publikationen taucht das Grün erstmals in der Weimarer Republik auf. »Die Flagge des Bundes - grün mit weißen Querstreifen und den Bundesinitialen - ist fertiggestellt«, heißt es im DFB-Jahresbericht 1926/27. Damals ließ der DFB ein neues Erscheinungsbild entwickeln, eine »einheitliche Linie«, wie es damals hieß. »Die sehr geraden Linien der ineinander verschlungenen Initialen DFB scheinen mir durch den Bauhaus-Stil beeinflusst zu sein«, sagt Marcus Keune, der zu besten Kennern der deutschen Fußballwappen zählt.

Laut Fußballhistoriker Arthur Heinrich lieferte der DFB-Funktionär Guido von Mengden zwei Versionen über die Herkunft der Farbe Grün: Nach dem Untergang des Kaiserreichs 1918 hätten führende DFB-Funktionäre die ursprünglichen Bundesfarben, das kaiserliche Schwarz-weiß-rot, »durch ein grün-weiß-buntscheckiges Tuch« ersetzt, um sich nach der Deutschen Revolution farblich vom Kaiser zu distanzieren.

Dennoch zierten die alten kaiserlichen Farben noch die DFB-Jubiläumsfestschrift von 1925. Bereits 1924 hatten Fußballzeitschriften den DFB allerdings wegen dieser Farbkombination, die als antidemokratisch interpretiert wurde, heftig kritisiert und zu politischer Neutralität ermahnt. Wohl vor diesem hochpolitischen Hintergrund, so Heinrich, wählte der DFB nach 1925 das neutrale Grün als Verbandsfarbe.

Das grüne Trikot brachte freilich nicht immer Triumphe wie in Wembley. Das erste Länderspiel mit grünen Trikots nach dem Zweiten Weltkrieg, am 17. Juni 1951 in Berlin gegen die Türkei, ging mit 1:2 verloren. Und auch im WM-Finale 1986 brachte das grüne Trikot bekanntlich kein Glück. 2:3 gegen Himmelblau.

Im neuen Auswärtstrikot posiert Thomas Müller. Foto: dpa/adidas

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