Stetige Schwächung des Parlaments

Verfassungsgericht entscheidet über Zulässigkeit eines Minigremiums, das EFSF-Beschlüsse abnicken soll

  • Dirk Farke, Karlsruhe
  • Lesedauer: 3 Min.
Darf das Parlament bei wichtigen Entscheidungen zum Budgetrecht ausgebootet werden? Das Bundesverfassungsgericht entscheidet heute über eine Klage von zwei SPD-Bundestagsabgeordneten.
Ein Geheimgremium soll EFSF-Maßnahmen zustimmen – Karlsruhe dürfte etwas dagegen haben.
Ein Geheimgremium soll EFSF-Maßnahmen zustimmen – Karlsruhe dürfte etwas dagegen haben.

Im Prinzip ist die Entscheidung schon gefallen: Bereits im Oktober vergangenen Jahres erließ das Bundesverfassungsgericht auf Antrag der beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Swen Schulz und Peter Danckert eine einstweilige Anordnung, die der schwarz-gelben Regierungskoalition die Übertragung der Verantwortung für die Gewährung milliardenschwerer Kredite im Rahmen des Euro-Rettungsschirms EFSF auf ein kleines Gremium untersagte. Begründung des zweiten Senats unter Vorsitz von Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle: Damit wäre das Budgetrecht - das Königsrecht des Parlamentes - ausgehebelt und Entscheidungen, die unter Umständen sogar die nachfolgenden Generationen betreffen, würden nicht mehr vom Bundestag und auch nicht mal mehr von dem aus 41 Mitgliedern bestehenden Haushaltsausschuss, sondern lediglich von einem neunköpfigen Kleinstgremium getroffen. Bestehen sollte diese zu Recht als Geheimgremium bezeichnete Institution aus drei Abgeordneten der CDU, je zwei von SPD und FDP und jeweils einem Abgeordneten von Grünen und Linkspartei.

In der mündlichen Verhandlung Ende November in Karlsruhe argumentierten die beiden Kläger, das geplante Gesetz würde ihre Rechte als Abgeordnete verletzen. Mit der Konstituierung dieses Gremiums würde 611 von 620 Mitgliedern des Bundestages die Möglichkeit genommen, für ihre Wähler tätig zu sein. Beide Parlamentarier betonten dabei ausdrücklich, nicht gegen den Euro-Rettungsschirm und notwendige Kredite für Griechenland und eventuell weitere in Zahlungsschwierigkeiten geratende Eurostaaten zu sein.

Vertreter der Bundesregierung hielten dagegen, Deutschland müsse handlungsfähig bleiben und benötige in diesen Fragen unbedingt eine schnellstmögliche Beschlussfassung. Würde man erst alle 41 Mitglieder des Haushaltsausschusses samt ihrer Stellvertreter informieren, könne man die Nachricht auch gleich in die Zeitung setzen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte die gebotene Eile bei finanzpolitischen Beschlüssen: »Erfahren die Märkte im Vorhinein, dass die Bundesregierung zum Beispiel Staatsanleihen aufkaufen möchte, können sie leicht dagegen spekulieren und es wird für den Steuerzahler noch teurer«, argumentierte Schäuble.

Finanzpolitisch sinnvolle Entscheidungen zu treffen und den Steuerzahler nicht mehr als nötig zu belasten, ist natürlich die Hauptaufgabe jedes Finanzministers. Aber genau dieser Punkt weist auf ein zentrales Problem nicht nur in diesem Fall hin: die zunehmende Schwächung des Parlamentes bei gleichzeitig sukzessiver Stärkung der Exekutive. Der zu den konservativeren Verfassungsrichtern zählende Udo Di Fabio, der seit Dezember dem zweiten Senat nicht mehr angehört und durch den ehemaligen saarländischen Ministerpräsident Peter Müller (CDU) ersetzt wurde, wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass das Neuner-Gremium in der Tat schon sehr nah an die Exekutive heranführe.

Das Gericht begründete seine einstweilige Anordnung im letzten Oktober im Wesentlichen damit, dass das Votum des Gremiums die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berühre. Wenn dieses eine »mögliche Rechtsverletzung« beginge, so die Richter, dann wäre dies nicht mehr rückgängig zu machen, da die Bundesrepublik mit einer Zustimmung zu den EFSF-Maßnahmen völkerrechtlich bindende Verpflichtungen eingegangen wäre. An dieser Sachlage hat sich auch durch mittlerweile vom Gesetzgeber durchgeführte marginale Gesetzeskorrekturen nichts Wesentliches geändert.

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